Interview mit dem Betriebsleiter vom Wilhelms im Wälderhaus, Thomas Wahnschaffe
Sarah: Das Wilhelms sagt: „Nachhaltigkeit ist das Thema im WÄLDERHAUS somit auch unser Leitmotiv im Restaurant WILHELMS“. Das bedeutet vor allem, dass ihr viele regionale und saisonale Produkte habt. Warum ist es für euch neben den regionalen Produkten auch wichtig fair gehandelte Speisen & Getränke im Angebot zu haben und welche sind das?
Thomas: Ich halte es für sehr wichtig, fair gehandelte Produkte im Gesamtkonzept mit einzubeziehen. Bei uns ist es Usus die Lebensmittel aus dem Umkreis von 100 Kilometern zu beziehen. Natürlich kriege ich hier aber keine Gewürze, Kaffee, Kakao etc. her. Und da ist meine Devise, dass man ein gutes Produkt verarbeitet. Da ist immer noch wichtig dabei, dass die Person, die die Kaffeebohne pflückt, auch seine Familie zu Hause ernähren kann, sodass im Endeffekt ein All-Profit-Prinzip entsteht. Ich tu mir persönlich schwer damit, würde ich hier die Milch oder die Karotten vom Land besorgen, aber wüsste, dass die Person, die den Kaffee pflückt und damit letztendlich die meiste Arbeit hat, seine Familie damit nicht vernünftig ernähren kann.
Sarah: Das heißt, ihr habt fairen Kaffee. Welche fair gehandelten Produkte habt ihr noch?
Thomas: Gewürze, ganz viele Gewürze, Tee und Limonade. Die Getränke haben wir damals umgestellt, als ich hier angefangen habe. Ich habe ursprünglich als Küchenchef angefangen und bin dann sehr schnell zum Betriebsleiter gewechselt. Und dadurch, dass die Fair Trade Stadt damals mit dem Hochschulwettbewerb auf mich zukam, habe ich mich intensiver mit dem Thema beschäftigt.
Vorher war der Faire Handel für mich schon präsent, aber nicht mein Fokus. Ich habe vorher in der Sternegastronomie gearbeitet. Da zählte grundsätzlich nur das Produkt und nicht, wo es herkam. Das ist auch ein Grund, warum ich dort ausgestiegen bin. Ich wollte die Getränke gerne von einem Unternehmen aus der Region beziehen. Und da bin ich auf Lemonaid gestoßen. Ich fand auch diese ganze Marketinggeschichte damals so witzig, als Lemonaid verschrien wurde, weil sie nicht so viel Zucker in ihrer Limonade haben. Dabei gehört es eindeutig zu den Zeichen der Zeit sich bewusster zu ernähren, auch im Getränkebereich. Und bei weniger Zucker spürt man das rohe Produkt auch noch viel intensiver.

„Der Weg der Nachhaltigkeit ist unaufhaltsam.“
Sarah: Wie lief der Prozess der Umstellung ab? Was gab es für Steine auf dem Weg?
Thomas: Das Hauptproblem bestand darin, dass das Produkt im Einkaufspreis deutlich teurer ist. Als Wirtschaftsbetrieb muss ich ja trotzdem funktionieren. Durch die konsequente Umsetzung der Nachhaltigkeit im Gebäude, der Energie, die faire Mitarbeiter:innen-Bezahlung und Weiterbildungen habe ich schon eine höhere Grundkost. Gerade im Getränkebereich, d.h. einem Bereich in der Gastronomie, mit dem üblicherweise ein größerer Gewinn erzielt wird, ein teureres Produkt zu nehmen, ist schon ein Risiko. Vor allem wenn man sich die Mengen anschaut. Wir sprechen hier ja nicht von 20, 30 Plätzen, sondern von 84 Plätzen allein im Innenbereich. Bei Veranstaltungen haben wir bis zu 200 Leute im Tagungsbereich. Dort umzubrechen und auf ein fair gehandeltes Produkt zu gehen, was im Einkauf und Verkauf teurer ist, ist schon ein großes Risiko gewesen, weil man sich einen anderen Markt greifen muss.
Sarah: Was hat euch dabei geholfen?
Thomas: Viel geholfen hat der Gesamtauftritt. Das ist ganz klar. Das einzige Getränk ist sehr wenig, aber es steht sehr viel Storytelling dahinter. Und das Konsequente, in der Karte, in dem Gesamtauftritt der Nachhaltigkeit. Dass der Gast das annimmt, was man selbst lebt, das dauert. Es dauert sich entsprechende Kundschaft anzuziehen. Aber das ist wie mit jedem Projekt, das man startet. Auch beim kleinen Bratwurststand muss man die Leute erstmal überzeugen, dass die eigene Bratwurst die beste ist.
Sarah: Gibt es aktuell Ambitionen noch weitere faire Produkte in euer Sortiment aufzunehmen? Bananen, Reis, Schokolade?
Thomas: Bananen benutze ich nicht, weil wir ja eigentlich nur Lebensmittel aus dem Umkreis von 100 Kilometern verarbeiten und da ist natürlich der Apfel absolut im Fokus. Wenn wir Bananen einkaufen, dann fair gehandelt, ganz klar. Reis haben wir bei uns auch kaum auf der Speisekarte. Klar kommt es mal vor, dass wir ein Curry oder Bratreis machen. Dann kaufe ich fairen Reis ein. Der Preisunterschied ist da auf die Portion gerechnet auch nicht besonders groß. Auch Schokolade benutzen wir wenig, aber die, die wir benutzen, ist nicht fair gehandelt. Das ist definitiv einer der nächsten Schritte, die wir angehen. Aber für mich als Gastronom ist es natürlich auch eine Frage der Bequemlichkeit. Sicherlich könnte ich von einem weiteren Lieferanten irgendwo fair gehandelte Schokolade beziehen, der Aufwand dahinter ist aber unheimlich hoch und der Lieferant kommt dann auch nicht nur für 2 Kilogramm Schokolade hier her.
Sarah: Was kannst du anderen Gastronomiebetrieben, die sich auf den Weg machen wollen, mit geben? Womit fängt man an? Wovon lässt man lieber die Finger?
Thomas: Der Weg der Nachhaltigkeit ist unaufhaltsam. Grundsätzlich kann ich anderen Gastronom:innen raten, sich stets zu hinterfragen, was jede:r gute Köch:in eigentlich täglich tut. Ist mein Produkt gut? Wo muss ich besser werden? Sich seine Produkte anzusehen, wo sie herkommen und sich intensiv mit der Frage zu beschäftigen: Wie wären denn meine Alternativen? Und wo bekomme ich die Alternativen her? Man denkt immer faire Produkte sind unheimlich teurer. Aber wenn man das umrechnet, sind sie das gar nicht unbedingt. Bei Lemonaid war die große Herausforderung, dass ein Wechsel von 0,2l Flaschen auf 0,3l Flaschen stattgefunden hat. Und dadurch ist der Grundpreis bei uns in der Tagungspauschale natürlich enorm angestiegen. Aber wenn man sich umgerechnet hätte, was der 0,2l Preis für 0,3l gekostet hätte, waren es erschwingliche 20 oder 30 Cent mehr. Natürlich ist man auf dem Markt in Summe erstmal teurer, aber wenn man dadurch den Gesamtauftritt der Nachhaltigkeit lebt, ist das auch ein Unique Selling Point. Dann ist das auch ein Grund zu kommen für die Gäste. Das heißt, man kann sich das auch zunutze machen.
Was ich anderen Gastronom:innen vor allem rate, ist: Hinterfragt eure Gewürze. Es gibt tolle Alternativanbieter, bei denen man weiß, dass die Gewürze aus Fairem Handel kommen. Die meisten fair gehandelten Gewürze stammen zudem aus biologischer Landwirtschaft. Bei dem Anbieter, bei dem ich sie beziehe, Lebensbaum, sind sie zwar tatsächlich deutlich teurer, aber ich benötige viel, viel weniger, weil sie sehr intensiv schmecken. Das hätte ich am Anfang nicht gedacht. Die Muskatnuss hat fast das doppelte Aroma. Und ist dadurch viel schmackhafter.
„Wenn wir uns als Gastronom:innen zusammen tun, haben wir einen großen Einfluss darauf, was die Lieferanten listen.“
Sarah: Was sind aktuelle Herausforderungen, denen ihr euch gegenüber seht?
Thomas: Zum einen die allgemein steigenden Preise. Und zum anderen die Verfügbarkeit von nachhaltigen Produkten. Man bekommt leider nicht immer alles so einfach, wie man es gerne hätte. Größere Gastronomon:innen haben oft größere Lieferanten, die nicht jedes Produkt unbedingt haben. Aber je mehr Gastronom:innen nachhaken, diese Produkte zu listen, umso wahrscheinlicher wird es, dass bald auch die ganz großen Lieferanten die Mengen anbieten können bzw. die Produkte überhaupt listen. Wenn wir uns als Gastronom:innen zusammen tun, haben wir einen großen Einfluss darauf, was die Lieferanten listen. Wenn es zum Beispiel in den ganzen städtischen Kantinen normal wäre, fairen Reis etc. zu beziehen, dann würden die Lieferanten die Mengen ganz schnell bereitstellen.
Sarah: Was motiviert dich?
Thomas: Das ist relativ einfach. Ich komme selber vom Dorf. Ich kenne es noch die Milch vom Bauern zu holen, wie ich mit meinem Nachbarn immer los geschickt wurde, mit ein bisschen Geld in der Hand. Und ich wollte für mich nach der ganzen Sternekocherei zurück zum Ursprung. Das war für mich sehr wichtig. Die Gastronomie verändert sich, die Menschen verändern sich und immer mehr auch die Produkte. Ich empfinde es als pure Freude, dem Gast eine Pastinake oder eine Steckrübe, wieder mit so viel Liebe zuzubereiten, dass er sagt „Wow!“ Oft höre ich dann sowas wie: „Oh, ich kenne eine Steckrübe noch von meiner Oma, um Gottes Willen, nie wieder, aber Ihre ist genial!“ Das Produkt aus dem Umland wieder so schätzen zu lernen, und das für sich als Genuss zu empfinden, das ist für mich die tägliche Motivation. Und natürlich meine Kinder. Meinen Kindern ebne ich ja selbst mit meinem Tun die Zukunft. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird die nächste Generation es verdammt schwer haben.
Sarah: Welchen Satz kannst du nicht mehr hören?
Thomas: „Das geht nicht“. Da sträubt es sich bei mir immer. Wenn jemand mir damit kommt, stelle ich ihm/ihr sofort die Frage: „Was hast du schon probiert, damit es geht? Und was hast du hinterfragt? Was sind die Alternativen?“ Ich sage immer zu meinen Köch:innen: „Frag dich nicht, was nicht geht, sondern schau, was du tun kannst.“
Sarah: Wie blickst du in die Zukunft – sowohl für das Wilhelms im Wälderhaus als auch für die Gastro-Branche und den Fairen Handel an sich?
Thomas: Die Nachhaltigkeit wird in der Gastronomie immer stärker einziehen, daran besteht für mich kein Zweifel. Gerade jetzt mit der Pandemie-Geschichte wird ein großer Wandel passieren. Die Kosten werden überall steigen. Nicht jede:r einfache Gastronom:in wird langfristig sein/ihr Konzept, so wie er/sie es mal gedacht hat, weiter leben können. Es werden die überleben, die sich zukunftsorientiert ausrichten. Und die Zukunft der Nachhaltigkeit ist global nicht mehr aufzuhalten. Das ist einfach so. Wenn wir jetzt sehen wie die Ölpreise steigen, die ganzen Container-Schiffe, was das kostet so einen Container zu transportieren, das waren früher 700€ und sind jetzt 7.000€. Das wird zurück zum Ursprung gehen.
Sarah: Was wünscht du dir dabei von der Stadt, der DEHOGA, den Großhändlern, aber auch von der Kampagne?
Thomas: Mehr Unterstützung. Es gibt für alles Auszeichnungen in der Gastronomie, warum also nicht auch für Nachhaltigkeit? Das ist zwar immer mehr im Kommen, aber die Kriterien sind nicht immer ganz klar. Wenn Hamburg Fair Trade Stadt ist, könnte auch die Stadt eine solche Auszeichnung verleihen.
„Ich sage immer zu meinen Köch:innen: „Frag dich nicht, was nicht geht, sondern schau, was du tun kannst.“
Sarah: Wann wäre die Kampagne für dich erfolgreich?
Thomas: Aus gastronomischer Sicht: Wenn Krankenhäuser, Kantinen und andere städtische Einrichtungen nachhaltige Grundprodukte etabliert hätten und das eine Form der Selbstverständlichkeit wird. Und natürlich würde ich mich freuen, wenn weitere Gastronom:innen, auch kleine Gastronomon:innen, sagen: „Ey Mensch, sehe ich genauso, setze ich auch um.“ Ich bin da dran. Ich kooperiere ja mit einigen Restaurants, Freund:innen von mir, die die Produkte bei mir getestet haben und jetzt auch nach und nach umstellen. Als Gastronom:in ist man wirtschaftlich schon recht eng bestückt, das muss man einfach sagen. Wie man in der Gastronomie immer so schön sagt: „Den Tisch, der heute nicht besetzt ist, kann ich morgen nicht doppelt besetzen.“ Das funktioniert einfach nicht. Und da ist natürlich schon die Frage, wie kann die Stadt uns Gastronom:innen da unterstützen? Was kann die DEHOGA für die Gastronom:innen tun? Wie kann sie die Umsellung fördern? Wie kann sie das belobigen?
Sarah: Wie würdest du deinen Job mit zwei Wörtern beschreiben?
Thomas: Leidenschaftlich spannend.
Thomas Wahnschaffe hat lange in der Sternegastronomie gearbeitet. Irgendwann hatte er genug davon, dass dort nur das Produkt zählt, nicht jedoch, wo es herkommt. Im Wilhelms hat er zunächst als Küchenchef und dann als Betriebsleiter ein für ihn optimales Arbeitsumfeld gefunden.
Über das Wilhelms im Wälderhaus
Gründungsdatum: 2013
Anzahl der Mitarbeitenden: 15
Faire Produkte: Limonade (Lemonaid) & Tee (ChariTea), Kaffee (Mount Hagen), Gewürze (Lebensbaum)
Das Wilhelms im Wälderhaus befindet sich mitten im für die Internationale Bauausstellung und Gartenschau 2013 neu angelegten Inselpark. Einem Naturerlebnis mit eindrucksvoller Atmosphäre. Es ist der kulinarische Mittelpunkt dieser grünen Oase von Wilhelmsburg.