Nachhaltige Beschaffung

Das Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand liegt nach Schätzungen bei mindestens 300 Milliarden Euro im Jahr. (Quelle)

In Hamburg wurden im Jahr 2020 gemäß Tätigkeitsbericht der Finanzbehörde ca. 200 Mio. Euro für die öffentliche Beschaffung ausgegeben. Mit diesem Volumen wirkt der Einkauf der Stadt Hamburg in annähernd alle Bereiche des Markts erheblich hinein und hat somit eine wichtige Hebelfunktion für eine nachhaltige Entwicklung. Diese starke Marktmacht können öffentliche Einrichtungen nutzen, um eine ökologisch und sozial verantwortliche Produktion voranzubringen und eine Vorbildrolle für einen nachhaltigen privaten Konsum einzunehmen. In einigen wenigen Produktbereichen zeigt sich bereits, dass der Markt auf die veränderte Nachfrage reagiert und sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette konkret verbessern.

Die besondere Rolle der öffentlichen Beschaffung wird zudem auch in den globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) herausgestellt. Es ist das Ziel benannt, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster (SDG 12) zu schaffen. Nach den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und dem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte  ist der öffentliche Einkauf ein wichtiges Handlungsfeld bei der Verpflichtung des Staates, die Menschenrechte zu schützen.

Im Sinne der Agenda 2030 sollten deshalb alle vorhandenen Gestaltungsspielräume und Ansatzpunkte für mehr soziale Verantwortung entlang globaler Lieferketten als auch für stärkere ökologische Kriterien strategisch genutzt werden.
Die öffentliche Beschaffung muss auch –  im Sinne der Politikkohärenz – ein besonderes Augenmerk darauf legen, mit ihren Einkäufen nicht zu ausbeuterischen Produktionsverhältnissen, Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung im Globalen Süden beizutragen.

Bio-regionale und faire Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen

Die Freie und Hansestadt Hamburg als Fairtrade-Town, als Bio-Stadt, als ehemalige Umwelthauptstadt und als Active-City muss dringend Weichen für eine nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung stellen, um den notwendigen Wandel hin zu einem zukunftsfähigen Ernährungssystem spürbar voranzubringen. Ambitionierte Schritte sind angesichts der großen, multiplen Krisen notwendig.

Wo steht Hamburg?

Hamburg hat in einer Vorlage vom 10.04.2016 zugestimmt, dass in der Kernverwaltung ausschließlich fair gehandelter Kaffee für Besprechungen und Veranstaltungen aus dienstlichem Anlass verwendet wird. Nach Produktgruppen wird mit dem bisherigen, veralteten Umweltleitfaden eine vermeintlich nachhaltige, auf eine umweltfreundlich reduzierte Beschaffung geachtet. Derzeit wird dieser Leitfaden im partizipativen Stakeholderprozess überarbeitet um verstärkt die sozialen Kriterien mit einzubinden. Leider ist der Leitfaden  auch nur ein Leitfaden für die Kernverwaltung. Öffentliche Unternehmen sind nicht verpflichtet, daraus Maßnahmen umzusetzen. Das heißt, der Leitfaden wird für eine bio-regionale-faire Verpflegung in öffentlichen Einrichtungen nicht relevant sein. Daher kann der Leitfaden auch nicht das politische Instrument sein, für das er lange gehalten wurde. Nach längerer Wartezeit soll der zukünftige Nachhaltigkeitsleitfaden im Herbst 2024 in den Senat zur Abstimmung.

Verbraucher:innenbündnis Bio-Stadt Hamburg

Um die ersten Schritte zu gehen, haben 2022 40 Unterstützer:innen das Positionspapier “Für eine Ernährungswende in öffentlich finanzierten Einrichtungen!” des Verbraucher:innenbündnis Bio-Stadt Hamburg unterzeichnet und tragen folgende Kernforderungen mit:

“Hamburg muss einen ambitionierten Beitrag leisten für ein zukunftsfähiges Ernährungssystem – mit der Gestaltung einer nachhaltigen Ernährung in öffentlich finanzierten Einrichtungen hat der Senat einen wichtigen Hebel in der Hand.”

Folgende Maßnahmen müssen vom Senat beschlossen und innerhalb eines Jahres gestartet werden:

1. Bestandsaufnahme: Wie nachhaltig ist die Verpflegung in öffentlich finanzierten Einrichtungen in Hamburg?

2. Ernährungsstrategie entwickeln und Mindeststandards für eine nachhaltige Ernährung in öffentlich finanzierten Einrichtungen in Hamburg verbindlich verankern

  • Schrittweise Steigerung auf 100% Bio-Lebensmittel bis 2030 – soweit möglich aus der Region und aus fairem Handel
  • Nachhaltigkeitsstandards für tierische Produkte – für mehr Tier-, Gesundheits- und Klimaschutz
  • Stopp der Lebensmittelverschwendung
  • Angemessene Preise in der Kita- und Schulverpflegung
  • Sozial-verantwortliche Lieferketten und nachhaltige öffentliche Beschaffung

3. Förderprogramm „Bildung und Beratung für nachhaltige Verpflegung“ starten

4. Koordination, Evaluation und Kontrollen

Das Positionspapier wurde am 31.08.22 anhand einer Pressemitteilung an die politischen Vertreter:innen geschickt. Einzelne positive Rückmeldungen und Gespräche zeigten in die richtige Richtung. Seit letztem Jahr jedoch stagniert der Prozess sehr. Eine Umsetzung scheint derzeit nicht in Sicht. Sowohl Sozialbehörde als auch Schulbehörde beteiligen sich nicht am Austausch bzw. gehen auf die Forderungen nicht ein.

Verbraucher:innenbündnisDas Verbraucher:innenbündnis besteht seit 2017 und ist ein Zusammenschluss von 16 Organisationen aus dem Nachhaltigskeitsspektrum in Hamburg und Umgebung.

Das wesentliche Ziel des Bündnisses ist es, den Anteil an Bio-Lebensmitteln in der öffentlichen Verwaltung schrittweise zu erhöhen und damit eine Vorbild- und Ausstrahlungsfunktion zu erreichen sowie die Nachfrage nach insbesondere regionalen Bio-Produkten zu erhöhen. Dem Bündnis ist es dabei besonders wichtig, Bio-Strukturen vor Ort zu stärken und weiter zu entwickeln. Eine Vielzahl an Produkten können nicht regional bezogen werden, so dass Produkte wie z.B., Kaffee, Tee, Kakao, Banenen, Reis, Kichererbsen, etc. aus dem Globalen Süden importiert werden. Für solche Waren ist es wichtig, dass sie fair gehandelt zu uns kommen, um soziale Arbeits- und Produktionsstandards, Menschenrechte und hohe Umweltstandards sicherzustellen. Das schöne ist: über 80% der fair gehandelten Produkte kommen aus ökologischer Landwirtschaft.

Die Arbeit erfolgt durch die Entwicklung von Positionspapieren, (Fach-) Veranstaltungen, Kontaktpflege zu Behörden, Parteien und Verbänden (politische Lobbyarbeit), Angebot von Schulungen und Weiterbildungen, Kontakten zu anderen Bio-Städten, wie z.B. Bremen, Berlin und Kopenhagen, die bereits viele Dinge erreicht haben, die auch für Hamburg übernommen werden können.

Das Bündnis trifft sich etwa alle sechs bis acht Wochen zur Plenumssitzung. Neue Unterstützer:innen sind willkommen. Das Bündnis arbeitet engagiert, strukturiert und verbindlich, hat klare Ziele und sucht die ganze Breite der Gesellschaft als Ansprechpartner:innen.

Und: Die Arbeit macht Spaß, denn wir verbinden uns mit nicht nur engagierten, sondern auch netten Menschen mit Ernsthaftigkeit in der Sache und Humor. Das Bündnis kämpft für ein gutes Leben für alle, gibt damit Sinn und Perspektive für uns, für dich und für die Metropolregion Hamburg.

Interessiert? Dann wende dich an:

Julia Sievers, Agrar Koordination, julia.sievers@agrarkoordination.de, Tel. 040 / 600 617 26

Tina Zurek, Ökomarkt e.V., info@oekomarkt-hamburg.de, Tel. 040 / 432 70 600

Hamburg hat gemeinsam mit 13 anderen Bundesländern ein Imagevideo für den zukünftigen nachhaltigen Einkauf erstellt. Dieser Kurzfilm und die Spots kennzeichnet eine entsprechende Produktionsweise.
Verbunden über die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung im Beschaffungsamt in Bonn teilen sich 14 Bundesländer die Produktionskosten und haben einen gemeinsamen Nutzen!
Durch dieses Gemeinschaftsprojekt der Bundesländer wurden Ressourcen gespart. Dieser Film ist technisch vor sogenannten LED Walls produziert worden. Die Orte müssen nicht extra angefahren werden, kein Auf-und Abbau, keine Fahrzeuge mit großen Ausstattungen.

Nachhaltig ist das neue Normal

Positive Praxisbeispiele

Broschüre “Gute Gründe für Nachhaltige Beschaffung” – 3. Auflage

Diese Broschüre von WEED e.V. enthält zahlreiche Argumente für einen nachhaltigen Einkauf der öffentlichen Hand und beantwortet Fragen rund um das Thema, zum Teil mit besonderem Fokus auf das Bundesland Berlin.

In der nun schon 3. Auflage geht es auch um Multi-Stakeholder-Initiativen und das Lieferkettengesetz. Ein Blick hinein lohnt sich also auch für die, die die Broschüre schon lange kennen und nutzen.

FEMNET e.V.: Wenn der Staat einkauft, sollte es fair zugehen

Von der Computermaus bis zur Polizeiuniform – anstatt den vermeintlich billigsten Angeboten zu folgen, kann der Staat eine Vorbildfunktion einnehmen und seine enorme Nachfragemacht bewusst nutzen, um faire Produktionsbedingungen und das Angebot fairer Berufskleidung zu stärken.

FEMNET e.V. stellt eine Reihe wertvoller Materialien zur Verfügung, wie eine nachhaltige, öffentliche Beschaffung erfolgreich gelingt.

Kompass Nachhaltigkeit

Ausführliche Informationen und mehr Praxisbeispiele erhältst du unter Kompass Nachhaltigkeit. Dort kannst du die verschiedenen gesetzlichen Grundlagen, das Produkt und Sozialstandards auswählen und die Produkte, die bereits sozialverträglich auf dem Markt verfügbar sind, anzeigen lassen.

Faire Beschaffung in der Stadt Leipzig

Die Stadtverwaltung Leipzig engagiert sich seit Jahren dafür, bei ihrer Beschaffung Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen und somit Schritt für Schritt auf nachhaltige Produkte umzustellen. Dabei wurden insbesondere die Anteile von Produkten aus fairem Handel in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert. So wurden zum Beispiel in den letzten drei Jahren allein in der Branddirektion mehr als 15 Beschaffungsvorgänge explizit zu fairen und nachhaltigen Waren durchgeführt. Hinzu kommen diverse Beschaffungen nach sozialen und ökologischen Kriterien von unterschiedlichem Volumen in der Stadtverwaltung, sowie in Beteiligungsunternehmen und Eigenbetrieben. Dabei ist das Engagement vielfältig und beläuft sich insbesondere auf Produktgruppen wie Textilien und Lebensmittel. Mehr unter diesen Link.

Initiative “Aktiv für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung”

Die Zeit drängt, wenn wir das 1,5 Grad Klimaziel erreichen und die SDGs in Deutschland bis 2030 verwirklichen wollen. Deshalb wendet sich der Aufruf „Aktiv für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung“ an alle Menschen, die sich für eine ökologisch, soziale und wirtschaftlich zukunftsfähige Beschaffung in Deutschland einsetzen. Schon heute setzen sich Tag für Tag viele Menschen in Deutschland dafür ein, dass der ökologisch und sozial verantwortungsvolle öffentliche Einkauf zur Norm wird. Ihr Engagement findet bisher kaum Platz in den Medien. Die Initiative will diesen Menschen und dem gemeinsamen Anliegen einer „Enkel-sicheren“ Zukunft ein Gesicht geben und dieses Engagement in alle Bereiche hinein kommunizieren.