Rückblick: Pushing Back on Progress? The Future of Human Rights Due Diligence

v.l.n.r.: Caroline Lichuma, Ceren Yildiz, Dîlan Sina Balhan, Diana Sanabria, Anke Saßmannshausen

v.l.n.r.: Caroline Lichuma, Ceren Yildiz, Dîlan Sina Balhan, Diana Sanabria, Anke Saßmannshausen

Im Rahmen der Nachhaltigkeitswerkstatt der BUKEA während der Hamburg Sustainability Week (HSW) lud die Fair Trade Stadt Hamburg am 4. Juni 2025 zu einem englischsprachigen Podiumsgespräch ein. Ziel war es, die aktuellen Entwicklungen rund um das Lieferkettengesetz (LkSG) sowie die europäische Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) zu diskutieren und einzuordnen. Für das stark besetzte Panel zu einem hoch aktuellen Thema in der Handelskammer konnten wir knapp 50 Interessierte begeistern.

Unsere Gästinnen:

Caroline Omari Lichuma ist Postdoktorandin am Centre for Human Rights der Universität Erlangen-Nürnberg. Derzeit forscht sie zu regulatorischen Entwicklungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte.
Diana Sanabria ist Juristin und Expertin für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten bei Hapag-Lloyd.
Ceren Yildiz ist juristische Expertin für unternehmerische Umwelt- und Klimaverantwortung beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) / Friends of the Earth Germany.
Anke Saßmannshausen ist Rechtsanwältin bei der europäischen Kanzlei Fieldfisher. Sie berät Unternehmen bei der Gestaltung von Handelsverträgen, die rechtliche Konformität gewährleisten und zugleich Transparenz und Nachhaltigkeit in Geschäftsbeziehungen fördern.
Moderatorin: Dîlan Sina Balhan ist Juristin und ESG-Executive bei der europäischen Kanzlei Fieldfisher. Die Veranstaltung moderierte sie in ihrer Rolle als Bildungsreferentin, Autorin und Moderatorin zu gesellschaftspolitischen Themen.

Zwei Jahre Lieferkettengesetz: Was hat es bewirkt?

Caroline Lichuma | Foto: HSW

Die Fair Trade Stadt Hamburg ist – wie die gesamte Fairhandelsbewegung – aktives Mitglied der Initiative Lieferkettengesetz. In dieser Rolle haben wir uns gefreut, mit der Podiumsdiskussion gerade in diesem wichtigen Moment die Hamburger Zivilgesellschaft für dieses Thema zu mobilisieren. Besonders eindrucksvoll waren die Schilderungen der Panelist:innen, wie viel das Lieferkettengesetz trotz einiger Unzulänglichkeiten bereits bewirkt hat. Vor dem Gesetz waren unternehmerische Sorgfaltspflichten vor allem eine freiwillige Angelegenheit, zu der sich nur wenige Unternehmen verpflichtet fühlten. Anke Saßmannshausen erklärte, dass nur etwa 20 % der deutschen Unternehmen zuvor eigene Anstrengungen unternommen hatten.

Dîlan Sina Balhan | Foto: HSW

Nach langjährigem zivilgesellschaftlichem Engagement für verbindliche Regulierungen lässt sich nun beobachten, dass die im Gesetz geforderte Risikoanalyse für Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten tatsächlich Missstände aufdecken kann. Diana Sanabria berichtete etwa, wie ihr Unternehmen entdeckte, dass Zulieferer die Pässe von Arbeiter:innen einbehielten – ein klarer Bruch arbeitsrechtlicher Standards und Hinweis auf moderne Formen der Versklavung. Dies sei vor allem der gesetzlichen Regulierung zu verdanken. Ein weiteres Beispiel nannte Ceren Yildiz mit der Klage gegen EDEKA wegen Nichteinhaltung von Arbeitsstandards auf Grundlage des LkSG. Diese habe zu signifikanten Verbesserungen für die Arbeiter:innen geführt. Auch das jüngste Urteil gegen RWE wurde als wichtiger Erfolg des Lieferkettengesetzes gewertet.

 

 

 

 

CSDDD-Reform: Vereinfachung – oder Rückschritt?

Anke Saßmannshausen | Foto: HSW

Die bestehenden Regelungen sind bei weitem nicht perfekt. Caroline Lichuma betonte, dass zivilgesellschaftliche Akteur:innen im Globalen Süden stärker einbezogen werden müssten, um die mit dem LkSG verbundenen Beschwerdemechanismen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zugänglicher und wirkungsvoller zu machen. Viele Betroffene fürchten Konsequenzen nutzen deswegen bestehende Beschwerdemechanismen nicht. Zudem seien diese derzeit nur auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch verfügbar und erforderten eine stabile Internetverbindung – Hürden, die insbesondere prekär beschäftigte Arbeiter:innen im Globalen Süden ausschließen. In diesem Zusammenhang verwies Lichuma auch auf das Binding Treaty for Business and Human Rights, welches Stimmen aus dem Globalen Süden stärker einbinden soll.

Auch die Gestaltung der geforderten Fragebögen für die zuliefernden Betriebe in der Lieferkette lasse viel Spielraum für Verbesserungen. Hinsichtlich der von der EU-Kommission verabschiedeten Omnibus-Richtlinie zur Reform der CSDDD machten die Panelist:innen allerdings deutlich, dass der Vorstoß weniger eine Vereinfachung als vielmehr einen Versuch der Deregulierung darstelle. Auch das Argument des Bürokratieabbaus sei vorgeschoben – in Wahrheit stünden Menschenrechte auf dem Spiel, so Sanabria. Kritisch wurde insbesondere die Verschiebung der Berichtspflicht auf 2028 eingeordnet: Unternehmen hätten nun fünf statt drei Jahre Zeit, Risiken in ihren Lieferketten zu identifizieren – eine viel zu lange Frist.

Besorgniserregend sei auch, dass die Verpflichtung zur Umsetzung eines Klimaschutzplans künftig entfallen könnte. Zudem seien zivilgesellschaftliche Stimmen kaum in die Beratungen zum Omnibus-Verfahren eingebunden worden, wie Ceren Yildiz kritisierte. Diana Sanabria und Anke Saßmannshausen machten eindringlich deutlich, wie viel Unsicherheit und Chaos die geplanten Änderungen auf EU-Ebene auslösten – und auch, dass sich viele Unternehmen ausdrücklich nicht für die Omnibus-Richtlinie aussprächen.

Ausblick: Due Diligence is here to stay

Trotz der drohenden Abschwächung bestehender Richtlinien blickten unsere Gäst:innen optimistisch in die Zukunft. Auch wenn derzeit Rückschritte drohten, waren sich alle Beteiligten einig: Unternehmen müssen sich weiterhin an verbindliche Regeln halten. Caroline Lichuma betonte, dass Unternehmen nicht nur ihren eigenen geschäftlichen Interessen verpflichtet seien, sondern auch dem Allgemeinwohl und dem Planeten – und dafür brauche es klare Regeln und spürbare Konsequenzen.

Ceren Yildiz wies darauf hin, dass klassische Advocacy-Strategien an Wirkung eingebüßt hätten, da die gesellschaftliche Unterstützung für soziale und ökologische Gerechtigkeit aktuell abzunehmen scheine. Umso wichtiger sei es jetzt, transnationale Netzwerke der Solidarität zu stärken, zivilgesellschaftliche Allianzen zu festigen – Sanabria betonte es sei wichtig, dabei auch die Unternehmen einzubeziehen, die bereits glaubhafte Anstrengungen unternehmen.

Zum Abschluss öffnete Moderatorin Balhan die Diskussion für das Publikum. Besonders in Erinnerung geblieben ist eine spannende Publikumsfrage: Welche Rolle kann Kunst und Kultur spielen, um zivilgesellschaftliche Bündnisse zu stärken? Der abschließende Austausch mit dem Publikum zeigte eindrücklich: Für mehr globale Gerechtigkeit in Lieferketten braucht es nicht nur robuste rechtliche Mittel, sondern auch interdisziplinäre Netzwerke – und aktiv gelebte Solidarität.

Die Veranstaltung wurde ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung von Brot für die Welt, des Katholischen Fonds‘, des Kirchlichen Entwicklungsdienstes der Nordkirche und der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung.