Rückblick: Kupfer, Kolonialismus und die „Grüne Transformation“

v.l.n.r.: Elisabeth Weydt, Astrid Lorenzen, Christian Wimberger und Mimi Harder. Foto: Fair Trade Stadt Hamburg
Am 25. Juni 2025 fand unter dem Titel Kupfer, Kolonialismus und die „Grüne Transformation“ die nächste Veranstaltung der Reihe Hamburg. handelt. dekolonial? statt, in der wir dekoloniale Perspektiven auf Wirtschaft und Handel sichtbar machen möchten. Diesmal beschäftigten wir uns mit Kupfer, einem Rohstoff, der für die viel beschworene Energiewende unerlässlich ist, dessen Abbau und Handel jedoch mit schweren sozialen und ökologischen Folgen einhergeht.
Hierfür durften wir im Museum der Arbeit rund 50 Anwesende im Publikum sowie unsere drei Expert:innen auf dem Panel begrüßen:
Astrid Lorenzen ist Industriedesignerin und Mitbegründerin von FairLötet e.V. Zur Zeit leitet sie das Projekt „Faires Kupfer“. FairLötet setzt sich für soziale Gerechtigkeit in den globalisierten Lieferketten der Elektronikbranche ein.
Christian Wimberger hat Lateinamerikastudien und Konfliktforschung studiert. Er arbeitet bei der Romero Initiative als Referent für Unternehmensverantwortung und Guatemala.
Elisabeth Weydt ist Journalistin und Autorin. Sie beschäftigt sich vor allem mit dem Leid, das in unseren Lieferketten steckt, und mit der transformativen Kraft von Zivilgesellschaft. 2023 erschien ihr erstes Buch „Die Natur hat Recht. Wenn Tiere, Wälder und Flüsse vor Gericht ziehen“.
(Vanessa Schaeffer Manrique, Anwältin mit den Schwerpunkten Umweltrecht, Rohstoffpolitik und Menschenrechte in Lateinamerika, musste ihre Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen leider absagen.)
Mimi Harder, Produzentin, Cultural Curator und Creative Director sowie Antirassismus-Aktivistin, führte als Moderatorin durch den Abend.
Kupfer: Begehrter Rohstoff mit giftigem Schatten

Christian Wimberger. Foto: Fair Trade Stadt Hamburg
Bevor das Podiumsgespräch jedoch starten konnte, führte Christian Wimberger mit einem kurzen Input in die Thematik ein. Er erklärte, dass die politisch viel propagierte „Grüne Transformation“ mit einer stetig steigenden Nachfrage und geostrategischen Konkurrenz um die dafür benötigten Rohstoffe einhergeht. Während die Quellen von Energie heute vor allem im Kontext des Klimawandels zunehmend in den Fokus rücken, werden kapitalistische Logiken und insbesondere dessen Wachstumszwang nicht hinterfragt. Der steigende Energiehunger im Globalen Norden verschärft dabei die Situation marginalisierter Communities im Globalen Süden massiv, was am Beispiel des für die Energiewende so zentralen Metalls Kupfer deutlich wird. Christian Wimberger verwies auf die häufig illegalen Kupferminen in Ländern des Globalen Südens und die Verstrickungen internationaler Konzerne, wie des Hamburger Unternehmens Aurubis, die in der Kritik stehen, diese (illegal) abgebauten Kupfervorräte zu importieren. Die verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt kommen dabei ausnahmslos überall vor, wo Kupfer abgebaut wird. Schwermetalle verseuchen die Böden und das Grundwasser, für die Zukunft der Auffangbecken des giftigen Schlamms gibt es keinen nachhaltigen Plan, aus der Verseuchung resultieren schwere Krankheiten für Menschen, deren medizinische Versorgung gleichzeitig vernachlässigt wird. Beschwerden gegen diese Zustände sind trotz der Möglichkeiten im Rahmen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetztes (LkSG) schwer in Gang zu bringen, da die Lieferketten im Bereich der Metalle sehr komplex sind und die Beteiligung der abnehmenden Großkonzerne im Globalen Norden oft nicht bis zum Ursprung des Kupfers zurückverfolgt bzw. eindeutig belegt werden kann.
Die Beschwerdefälle, die entgegen aller Hürden bisher dennoch erfolgreich durchgesetzt werden konnten, offenbaren jedoch die gravierenden Folgen des Kupferabbaus, wie das Beispiel der Kupfermine Buenavista del Cobre in Mexiko. Im Jahr 2014 war dort kupfersulfathaltiger Schlamm in den Río Sonora gelangt und hatte den Fluss und das Grundwasser verseucht. Der für die Mine verantwortliche Konzern Grupo México hatte die Verunreinigung zunächst nicht gemeldet und nach ihrer Entdeckung im Anschluss die versprochenen Wasseraufbereitungsmaßnahmen nicht umgesetzt. Die Menschen in den betroffenen Gebieten erlitten und erleiden anhaltend schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch die ausgetretenen Schwermetalle, doch die versprochene Gesundheitsversorgung bleibt bis heute aus. Anfang 2025 konnte nach über 10 Jahren des Kampfes mithilfe des LkSG erfolgreich Beschwerde in Deutschland gegen das Hamburger Unternehmen Aurubis eingelegt werden, dem vorgeworfen wird, trotz der katastrophalen gesundheitlichen Situation der Menschen vor Ort seit Jahren große Mengen Kupfererz von Grupo México zu importieren. Doch mit der ungewissen Zukunft des LkSG und der europäischen CSDDD Richtlinie steht auch die Zukunft der darunter laufenden Beschwerdefälle auf dem Spiel (einen Bericht zu unserer vergangenen Podiumsdiskussion zum LkSG findet ihr hier).
Die Podiumsdiskussion

Astrid Lorenzen. Foto: Fair Trade Stadt Hamburg
Mit diesem Impuls leitete Mimi Harder zum Podiumsgespräch über. Dabei konnte Astrid Lorenzen von ihrer Arbeit mit FairLötet berichten und über die Chancen, aber auch Widersprüche ihres Einsatzes sprechen. So versucht der Verein auch trotz der Tatsache, dass es weltweit kein menschenrechtlich völlig unbedenkliches Minenprojekt zum Kupferabbau gibt, „am wenigsten schädliches“ Kupfer verfügbar zu machen und neben der Aufklärung zum konventionellen Kupferhandel auch vorrangig positive Beispiele für einen verantwortungsvolleren Umgang mit dem wertvollen Rohstoff zu fördern. Projekte wie der Initiative for Responsible Mining Assurance (IRMA) Standard rücken mit ihrem Multi-Stakeholder-Ansatz z.B. die Beteiligung betroffener Menschen vor Ort in den Mittelpunkt und zeigen damit auch, dass bessere Beispiele umsetzbar sind für Unternehmen, die die bestehenden Verhältnisse nicht hinnehmen möchten. Der IRMA Standard stellt hohe Bedingungen an Minenbetreiber, welche in Zukunft auch auf weiterverarbeitende Unternehmen ausgeweitet werden sollen. Auf Freiwilligkeit seitens der Unternehmen, die Kupfer für ihre Arbeit importieren oder weiterverarbeiten, darf dabei jedoch nicht gesetzt werden. Denn obwohl es beim Unterschied zwischen Kupfer mit „okayen“ Abbaubedingungen und dem aus menschenrechtswidrigem Abbau nur um Centbeträge geht, ist der Preisdruck in verarbeitenden Branchen wie der Automobilindustrie enorm hoch. Obwohl es durchaus Unternehmen gibt, die zunehmend Wert auf Fairen Handel auch im Bereich der Metalle legen, sind für Astrid Lorenzen politische Werkzeuge nötig, um tatsächlich Veränderung zu schaffen.

Elisabeth Weydt. Foto: Fair Trade Stadt Hamburg
In einem ganz anderen Bereich beschäftigt sich auch Elisabeth Weydt mit den Folgen des Kupferabbaus. Die Autorin des Buchs „Die Natur hat Recht. Wenn Tiere, Wälder und Flüsse vor Gericht ziehen – für ein radikales Umdenken im Miteinander von Mensch und Natur“ beschäftigt sich neben den Menschenrechtsverletzungen der Gemeinden in den Abbaugebieten auch mit den Rechten der Natur und wirbt dafür, diesen sowohl im Diskurs als auch bei der Einleitung rechtlicher Schritte mehr Platz zuzugestehen. Ihr mittlerweile fast 20-jähriger Einsatz gegen illegale Kupferminen führte sie von der Begleitung der harten Kämpfe Betroffener in Ecuador gegen die großen Kupferunternehmen hin zur Desillusionierung beim Versuch, das Thema in deutschen Medien zu platzieren. Das jahrelang bemühte Argument, es handele sich um kein deutsches Thema, da kein inländisches Unternehmen daran beteiligt sei, konnte erst durch die aufgedeckten Vorwürfe gegen das Hamburger Unternehmen Aurubis entkräftet werden.
Doch trotz erhöhter Aufmerksamkeit und einiger Erfolge der Aktivist:innen dabei, internationale Konzerne von ihrem Interesse an den Kupfervorkommen in ihren Regionen abzubringen, besteht der grundlegende Widerspruch zwischen dem Schutz von Mensch und Umwelt und den kapitalistischen Logiken des Welthandels weiterhin. Zerstörte Regenwälder und die gesundheitliche Gefährdung der Betroffenen im Umfeld illegaler Kupferminen können nicht bepreist werden. Damit führt für Elisabeth Weydt der Weg zurück zu den Rechten der Natur, welche die Ecuadorianische Regierung als erstes Land der Welt seit 2008 sogar in der Verfassung verankert hat. Sie eröffnen neue Möglichkeiten, sich auch gerichtlich gegen Kupferprojekte zur Wehr zu setzen, ohne dem Leben von Menschen und dem Erhalt der Biodiversität einen monetären Wert zuordnen zu müssen.

Mimi Harder. Foto: Fair Trade Stadt Hamburg
Einen weiteren Weg, sich gegen ausbeuterische Kupferprojekte zur Wehr zu setzen, bieten auch die durch das deutsche Lieferkettengesetz möglich gewordenen Beschwerdefälle. Doch neben den bereits erwähnten Problemen beim Nachweis der Beteiligung deutscher Unternehmen kritisiert Christian Wimberger auch die unzureichenden Maßnahmen, die im Falle erfolgreicher Beschwerden für Unternehmen vorgesehen werden. Die gesetzlich festgelegten Bußgelder mögen zwar ein guter Start sein, doch helfen sie den betroffenen Gemeinden nicht, da sie selbst keinen Anteil dieser Zahlungen erhalten. Mit der Romero Initiative fordert er daher, dass Firmen durch das Lieferkettengesetz zu Maßnahmen vor Ort verpflichtet werden sollen, wie der Aufbereitung von Wasser und Böden oder der Sicherstellung gesundheitlicher Versorgung. Doch sowohl das deutsche Lieferkettengesetz als auch die europäische CSDDD stehen unter Druck – unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus sollen die Gesetze ausgehöhlt und abgeschwächt werden. Umso wichtiger ist derzeit der Einsatz für den Erhalt und die Schärfung der gesetzlichen Mittel gegen ausbeuterische Lieferketten (zur Petition der Initiative Lieferkettengesetz für den Erhalt des LkSG geht es hier).

Elisabeth Weydt liest eine Passage aus ihrem Buch. Im Hintergrund ein Bild von Cenaida Guachagmira, einer ecuadorianischen Aktivistin. Foto: Fair Trade Stadt Hamburg
Doch in den Augen aller Panelist:innen muss auch der generelle Kupferverbrauch hinterfragt werden, vor allem im Globalen Norden. Kupfererz enthält heute kaum noch Kupfer, sodass der Abbau nur unter menschenunwürdigen Bedingungen im Globalen Süden wirtschaftlich rentabel ist. Die enormen Mengen, die momentan und unter unveränderten Bedingungen auch zukünftig benötigt werden, können nach kapitalistischer Logik nur unter neokolonialen Bedingungen abgebaut werden. Einige Unternehmen wie auch Aurubis arbeiten zwar bereits mit Recyclingtechniken, die zukünftig wohl noch an Bedeutung gewinnen werden, bei unkontrolliertem Wirtschaftswachstum jedoch bei weitem nicht ausreichen würden, um den Kupferhandel nachhaltig und fair umzugestalten. Dabei sprechen sich vom Kupferabbau betroffene Gemeinden nicht immer grundsätzlich gegen die geplanten Minenprojekte in ihrer Region aus. Unter sorgfältig geplanten Maßnahmen zum Umweltschutz und der Beteiligung an den enormen Gewinnen der Konzerne kommt es auch vor, dass Gemeinden sich für die Umsetzung von Kupferprojekten aussprechen – der Schlüssel liegt für alle Beteiligten der Podiumsdiskussion jedoch in der deutlich erhöhten Wertschöpfung vor Ort und dem Mitspracherecht der betroffenen Menschen in den Abbaugebieten.
Auf Mimi Harders Abschlussfrage, mit wie viel Optimismus sie auf die Zukunft nachhaltiger Lieferkettengesetze blicken, reagierten die Panelist:innen verhalten. Dennoch riefen sie dazu auf, den Einsatz für Fairen Handel innerhalb globaler (Kupfer-)Lieferketten fortzuführen und sich auch von den aktuellen politischen Entwicklungen nicht entmutigen zu lassen. Die Notwendigkeit, die aktuellen Logiken des Wirtschaftswachstums angesichts kolonialer Kontinuitäten und planetarer Grenzen generell zu hinterfragen, lässt sich dabei gut verbinden mit dem Aufruf, die Rechte von Mensch und Natur künftig noch stärker gemeinsam zu denken.
Das ganze Video zur Veranstaltung gibt es jetzt auch noch mal zum Nachschauen auf unserem YouTube-Kanal.
Die Veranstaltungsreihe Hamburg. handelt. dekolonial? wird ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung von Brot für die Welt, des Katholischen Fonds‘, des Kirchlichen Entwicklungsdienstes der Nordkirche und der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung.

