Viele Unternehmen fragen sich heutzutage, wie sie sich nachhaltiger und fairer aufstellen können. Das möchten wir gerne unterstützen! Um Inspirationen zu liefern, stellen wir die Geschichten und Gesichter hinter verschiedenen Hamburger Unternehmen vor, die bereits im Fairen Handel aktiv sind.

Der Personalentwickler von EDEKA Niemerszein Yannik Deusing gibt uns einen Einblick in die Ausrichtung des Unternehmens und berichtet über die Veränderungen & Herausforderungen seit Beginn der Corona-Pandemie. Außerdem erläutert er, warum er das Wort „fair“ sehr passend findet und plädiert dafür Fairen Handel in die Ausbildung als Einzelhandelskauffrau-/mann zu integrieren. Aber lest selbst!

Interview mit dem Personalentwickler von EDEKA Niemerszein, Yannik Deusing

Sarah: Vor kurzem hat EDEKA Niemerszein den Goldenen Zuckerhut gewonnen, der in Fachkreisen auch als „Oscar“ der Ernährungsbranche gilt. Wie habt ihr das geschafft? Wodurch zeichnet sich EDEKA Niemerszein aus?

Yannik: Wir haben uns sehr über die Auszeichnung gefreut – vor allem, weil wir uns nicht darauf beworben haben, sondern ein Kuratorium uns ausgewählt hat. Wir haben den Preis schon einmal gewonnen, 1979. Jetzt wurden wir dafür ausgezeichnet, dass wir eine große Auswahl haben und trendaffin sind. Die Inhaber:innen sind tagtäglich auf der Fläche, arbeiten in Arbeitskleidung mit im Laden. Das heißt, auch sie merken direkt an den Kund:innen, was Trend ist, was wir zukünftig brauchen. Und sie können das dann direkt umsetzen. Ich glaube, das ist unsere große Stärke und das hat auch dazu beigetragen, dass wir ausgezeichnet wurden.

Sarah: Inwiefern haben Nachhaltigkeitsaspekte eine Rolle bei der Auszeichnung gespielt?

Yannik: Der Goldene Zuckerhut ist eine Auszeichnung des Gesamtkonzepts, für das ganze Unternehmen. Nachhaltigkeit und auch sozialer, fairer Umgang miteinander, fließen da natürlich auch mit ein. Wir versuchen uns als Unternehmen stark darauf auszurichten, die Verantwortung für unser Handeln zu tragen. Und das machen wir indem wir Anbieter:innen, die in Bio-Qualität vor Ort produzieren, fördern und ihnen eine Chance im Regal geben. Und wenn man den Blickwinkel dann noch etwas weitet, über Deutschlands Grenzen hinweg, kommt Fair Trade ins Spiel.

Verleihung des 63. Goldenen Zuckerhuts im November 2021: Volker & Andrea Wiem aus der Inhaberfamilie und Geschäftsführer Frank Ebrecht (v.l.n.r.), © Lebensmittel Zeitung

“Ich finde das Wort „fair“ sehr passend – weil es für alle gilt: für die Lieferant:innen, für die Kund:innen, und am Ende auch für die ganze Gesellschaft.”

Sarah: Ihr habt einen verhältnismäßig hohen Anteil an Bio- und Fair-Trade-Produkten. Wie kam es dazu?

Yannik: Dahinter steht die Philosophie und die Grundfrage, was wir eigentlich als Unternehmen erreichen wollen. Wollen wir möglichst viel verkaufen, oder wollen wir günstig verkaufen? Und da haben sich die Inhaber:innen vor langer Zeit gegen entschieden, wir wollen nicht zwingend das günstigste Hackfleisch anbieten. Wir wollen gute Qualität, Genussqualität, in den Stadtteil bringen. Und dabei spielt soziale Gerechtigkeit eine große Rolle. Innerhalb Deutschlands können wir lokale Anbieter:innen fördern und dafür sorgen, dass die Kartoffeln nicht aus Ägypten kommen, sondern von Bauer Strampe aus Gienau oder vom Kastanienhof, dem Natur Direkt Bio Bauern. Da können wir auch überprüfen, ob sie mit ihren Mitarbeiter:innen und Zulieferer:innen fair umgehen und ob die Produkte die entsprechende Qualität haben. Oft ist das dann ja auch Bioqualität, worüber wir uns freuen.

Das alles wollen wir auch für Produkte tun, die nicht hier um die Ecke angebaut werden. Da wir das aber nicht eigenständig kontrollieren können, müssen wir uns auf faire Produkte verlassen. Und dabei sind wir uns bewusst, dass wir als Supermarkt auch Kaufimpulse geben. Die Kund:innen machen sich ja nicht immer einen Plan zu Hause und treffen dort die Kaufentscheidung, sondern sie bekommen auch im Laden Ideen und Impulse und kaufen Dinge, die sie vielleicht nicht unbedingt geplant haben. Und da können wir mit einer Auswahl an Fair Trade Produkten ein Angebot schaffen. Ich finde das Wort „fair“ sehr passend – weil es für alle gilt: für die Lieferant:innen, für die Kund:innen, und am Ende auch für die ganze Gesellschaft.

Sarah: Welche Rolle spielen Fairer Handel und Nachhaltigkeit bei euch in der Ausbildung?

Yannik: Im Kernlehrplan sind die Themen nicht enthalten, aber wir haben manchmal ein Sonderseminar, in dem die Azubis etwas darüber lernen. Wir haben einmal zum Beispiel eine Nachhaltigkeits-Challenge entwickelt, bei der es darum geht, den Absatz von nachhaltigen Produkten zu steigern. Das haben wir schon mit wechselnden Themen gemacht und auch Exkursionen eingebunden. Als es um Fair Trade Produkte ging, waren wir z.B. mal im Süd-Nord Kontor und haben uns etwas über Herkunft und Produktionsbedingungen angehört. Das Gelernte haben die Azubis dann nachbereitet und eine eigene Aktion in unseren Märkten umgesetzt.

Sarah: Letztes Jahr habt ihr auch an unserem Fair Trade Hochschulwettbewerb teilgenommen. Worum ging es da genau?

Yannik: Wir haben Studierenden die Möglichkeit gegeben, Konzepte zu entwickeln, um den Absatz von fairen Produkten bei uns im Laden zu steigern – speziell bei Kaffee. Das war sehr spannend und hat viel Spaß gemacht. Die Studierenden haben sich wahnsinnig viele Gedanken dazu gemacht, wie man es schaffen kann, die Produkte in den Fokus zu rücken, auch über wechselnde Angebote. Sie haben damit sogar den ersten Platz gewonnen, was uns natürlich sehr gefreut hat! Für die Präsentation haben die Studierenden ein sehr aufwändiges Video produziert, in dem sie gezeigt haben, auf wie vielen Wegen man Produkte sichtbar machen kann.

Auszug aus dem Storyboard der Präsentation der Studierenden der Hochschule Fresenius beim Fair Trade Hochschulwettbewerb 2020

Sarah: Was kannst du Unternehmen, die Interesse daran haben mehr faire Produkte anzubieten, mit auf den Weg geben?

Yannik: Verschiedene Produkte ausprobieren und gucken, ob sie funktionieren. Die richtige Platzierung ist dabei eine wichtige Sache. Es gibt sehr viele Kund:innen, die das dankend annehmen und sich freuen, wenn faire Produkte im Handel sind und sie eine Alternative haben –  auch wenn die Produkte mal ein oder zwei Euro mehr kosten. Ich kann einfach nur empfehlen, das zu probieren und auch mit den Lieferant:innen zu sprechen. Denn die haben oft eine breite Auswahl, das heißt ich muss nicht einen Lieferanten für Kaffee haben und einen für Honig. Für jedes Sortiment kann man einfach mal ein oder zwei Produkte bestellen und probieren. Das wird meist besser angenommen, als man denkt!

Sarah: Mit welchen Herausforderungen seht ihr euch aktuell konfrontiert?

Yannik: Durch Corona ist gerade alles wahnsinnig aufwändig. Aber glücklicherweise haben wir viele Kund:innen, die die neuen Regelungen, wie z.B. Einlassbeschränkungen, gut annehmen und weiterhin regelmäßig kommen. Auch wenn viele deutlich seltener kommen als früher, dafür aber mehr kaufen, das merkt man schon.

“Wir merken, dass sich die Leute wesentlich mehr damit auseinandersetzen, was sie kaufen.”

Präsentation fairer Produkte inkl. Kampagnen-Zeitung zum Start unserer Kampagne im September 2021

Sarah: Greifen die Kund:innen seit Beginn der Corona-Pandemie verstärkt zu Fair Trade Produkten?

Yannik: Ich glaube, das ist ein allgemeiner Trend. Wir hatten vor 10, 15 Jahren einen Trend zum Günstigen, und jetzt geht es wieder mehr hin zur Qualität. Und das wird zum einen anhand der Marke bewertet, zum anderen aber eben auch über Fair Trade. Wir merken, dass sich die Leute wesentlich mehr damit auseinandersetzen, was sie kaufen. Dass viele lieber hochqualitative Produkte kaufen und dafür vielleicht dann ein bisschen weniger. Das freut uns natürlich, weil wir wesentlich mehr Spaß daran haben Produkte zu verkaufen, die durch Qualität bestechen und nicht durch den günstigsten Preis. Wir haben auch immer wieder Entscheidungen in diese Richtung getroffen – zum Beispiel keine Eier mehr aus Bodenhaltung zu beziehen, noch bevor das überall so war.

Sarah: Was motiviert dich bei der Arbeit?

Yannik: Die Kund:innen! Wenn die Kund:innen zufrieden aus dem Laden herausgehen und in der nächsten Woche wiederkommen, dann tun wir was Gutes. Wir verkaufen nicht nur Produkte, sondern auch Herzblut, Leidenschaft und tolle Momente mit Freund:innen und Familie abends am gemeinsamen Tisch. Und wenn Kund:innen genau das bei uns bekommen, haben wir unseren Auftrag erfüllt.

Sarah: Wie blickst du in die Zukunft?

Yannik: Ich glaube, dass unser Weg der Richtige ist. Auch durch Fair Trade, aber auch durch viele Lieferanten, die hochwertige Produkte anbieten und mit viel Herzblut dahinterstehen und sich darum kümmern, dass die Welt morgen eine bessere ist. Das wird künftig noch mehr wertgeschätzt werden als bisher. Der Trend wird weitergehen und sich auf immer mehr Sortimente ausweiten. Und ich bin mir sicher, dass auch die jüngeren Generationen, wenn sie in das Alter kommen, dass sie einen eigenen Hausstand haben, sich nochmal deutlich mehr Gedanken machen. Und da freuen wir uns drauf.

“Ich würde mich freuen, wenn Nachhaltigkeit & Fairer Handel künftig für Auszubildende zu einem verpflichtenden Fach gemacht werden.”

Sarah: Was wünscht du dir von der Stadt Hamburg oder der Handelskammer?

Yannik: Ich würde mich freuen, wenn Nachhaltigkeit & Fairer Handel künftig für Auszubildende zu einem verpflichtenden Fach gemacht werden, damit sie die Informationen automatisch bekommen. Wir geben uns viel Mühe damit unsere Azubis an verschiedenen Stellen damit in Berührung kommen zu lassen, aber wenn es ein generelles Thema für die Berufsschule oder die Handelskammer wäre, hätte es natürlich noch mal eine ganz andere Dimension.

Sarah: Was erhoffst du dir von dieser Kampagne?

Yannik: Deutlich mehr Sichtbarkeit! Ich glaube, dass viele Produkte immer noch in der Masse untergehen. Und durch die Kampagne könnte nochmal mehr Bewusstsein geschaffen werden, damit die/der eine oder andere auch aktiv danach sucht.

Yannik Deusing ist als Personalentwickler für die Aus- und Fortbildung von Nachwuchskräften und Mitarbeiter:innen zuständig. Eine sehr wichtige Aufgabe, denn die Tätigkeit im Einzelhandel umfasst nicht nur „Gurken einräumen und kassieren“, sondern vor allem auch einen großen Beratungsanteil.

Über EDEKA Niemerszein

Gründungsdatum: 1965

Anzahl der Mitarbeitenden: über 500

Anzahl der Filialen: 9

Faire Produkte: Schokolade, Kaffee/Espresso, Tee, Kakao, Limonade, Honig, Bananen…

Seit der Eröffnung des ersten kleinen Spar-Markts durch Dieter Niemerszein sen. im Hirtenstieg in Norderstedt ist einiges passiert. Mit der Zeit kamen mehr Märkte dazu – aus SPAR wurde EDEKA.

Nachhaltigkeit, Regionalität sowie soziales Engagement sind wichtige Schlagworte für das Unternehmen.

 

 

 

 

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