Viele Unternehmen fragen sich heutzutage, wie sie sich nachhaltiger und fairer aufstellen können. Das möchten wir gerne unterstützen! Um Inspirationen zu liefern, stellen wir die Geschichten und Gesichter hinter verschiedenen Hamburger Unternehmen vor, die bereits im Fairen Handel aktiv sind.

BUDNI kennt in Hamburg wahrscheinlich jedes Kind. Vor über 100 Jahren in Hamburg-Harburg gegründet, verfügt die Drogeriemarktkette mittlerweile über rund 180 Filialen – in Hamburg, Lübeck, Lüneburg, Berlin und auf Sylt. Mit einem der Geschäftsführer, Christoph Wöhlke, haben wir über die Bedeutung von attraktiven, fairen Produkten und die Verantwortung von Unternehmen gesprochen. Aber lest selbst!

Interview mit BUDNI-Geschäftsführer Christoph Wöhlke

Sarah: Auf der Webseite von BUDNI ist zu lesen, dass ihr über eine große Vielfalt an Biolebensmitteln und Naturkosmetik verfügt. Welche Rolle spielen fair gehandelte Produkte bei BUDNI?

Christoph: Wir führen fair gehandelte Produkte schon sehr lange. Das war auch der Generation vor mir schon ein Anliegen. Ich kann mich noch daran erinnern, wie das Thema damals im Kirchenkontext aufkam und meinen Vater dazu animiert hat, sich damit zu beschäftigen. Mittlerweile mag das Thema etwas in den Hintergrund gerückt sein, weil es von vielen anderen Dynamiken, wie Bio-Lebensmitteln und Naturkosmetik, überholt wurde. Aber zum Glück gibt es ja immer wieder neue Initiativen, die attraktive fair gehandelte Produkte anbieten.

Sarah: Das heißt das Angebot an fair gehandelten Produkten hängt maßgeblich mit deren Attraktivität zusammen?

Christoph: Es ist eine große Herausforderung für Unternehmen, die eher einen traditionellen Kern haben und sich nicht so sehr in der Marketingwelt unserer Branche bewegen, sich im Regal attraktiv darzustellen. Aber darum geht es letztlich. Viele Entscheidungen werden direkt am Regal getroffen und die Motivation solche Produkte zu kaufen ist sehr unterschiedlich. Im Bio-Bereich lässt sich das ebenfalls deutlich erkennen. Natürlich gibt es Kund:innen, die sich um die Umwelt Gedanken machen und deshalb zu den Produkten greifen, aber es gibt auch Kund:innen, die sich damit selbst etwas Gutes tun wollen und denen der direkte Zusammenhang mit der Umwelt zweitrangig ist.

Das bedeutet, da spielen psychologische Gründe bei der Produktwahl eine Rolle, die es unmöglich machen mit einem Produkt alle Kund:innen zu erreichen. Daher ist es auch gut und wichtig, dass immer wieder neue Produkte auf den Markt kommen, die die Kund:innen noch einmal anders ansprechen.

Lemonaid ist da das beste Beispiel. Die haben eine große Sogwirkung. Und zwar nicht, weil es sich um ein Fair Trade Produkt handelt, sondern, weil unsere Kund:innen das Produkt richtig gut und attraktiv finden. Das heißt, wenn du es schaffst die Kund:innen zu erreichen, landest du automatisch in den Regalen. So einfach ist die Logik.

Faire Limonade bei BUDNI, © Fair Trade Stadt Hamburg

“Ich bin davon überzeugt, dass uns als Unternehmen eine Verantwortung zukommt, Angebote zu schaffen und Kund:innen zu ermöglichen ihr Verhalten zu ändern.”

Sarah: BUDNI ist einer der Finalisten beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie „Transformation der Gesellschaft“. Worin siehst du wichtige transformative Schritte und wie drückt sich das bei BUDNI aus?

Christoph: Man muss bei den Diskussionen um das Thema Nachhaltigkeit aufpassen, dass man nicht anfängt, in die belehrende Haltung zu verfallen. Wir wissen ja nicht, wie der Mensch sich außerhalb unserer Filialen verhält. Er kann zum Beispiel wenig fliegen oder gar kein Auto fahren, und kauft dann aber nicht das nachhaltigste Produkt. Können wir diese Kund:in auf Grund des Einkaufs „bewerten”? Nein.

Daher stellt sich für uns die Frage: Wie laden wir Menschen ein sich mit dem Thema zu beschäftigen? Natürlich kann dies zunächst einmal durch die Erweiterung des Sortiments geschehen. Darüber hinaus haben wir begonnen, ein nachhaltiges Leitsystem durch die Filialen einzuführen. Mit dem sogenannten BUDNI-Wegweiser geben wir Kund:innen am Regal eine Hilfestellung, indem wir Produkte auszeichnen, die in den Bereichen Ressourcenschutz, Süßwasserschutz, Klimaschutz oder Artenvielfalt bereits einen positiven Beitrag leisten. Abgeleitet haben wir diese vier Themenfelder von den Zielen der UN-Nachhaltigkeitsziele, auf die wir mit unseren Produkten einen besonders hohen Einfluss haben.

Es ist eine große Herausforderung Kund:innen dabei zu unterstützen, sich zurechtzufinden. Denn aufgrund der zunehmenden Komplexität und der Labelvielfalt resignieren viele Menschen. Aber ich bin davon überzeugt, dass uns als Unternehmen eine Verantwortung zukommt, Angebote zu schaffen und Kund:innen zu ermöglichen ihr Verhalten zu ändern.

Sarah: BUDNI ist mehrmals zum besten Arbeitgeber gewählt worden, das heißt die Mitarbeiter:innen scheinen recht zufrieden zu sein. Spielt Fairness auch innerhalb des Unternehmens eine Rolle?

Christoph: Ja, auch wenn wir den Begriff Fairness nicht direkt verwenden. Augenhöhe und Anerkennung sind bei uns sehr wichtig. Jede:r Mitarbeiter:in ist wichtig – egal ob sie an der Kasse sitzt oder auf der sogenannten „Teppichetage“. Denn wenn ein:e Mitarbeiter:in heute nicht an der Kasse sitzt, dann nehmen wir keinen einzigen Euro ein. Aber wenn ich heute nicht im Büro sitze, dann hat das rein gar keinen Einfluss auf das heutige Tagesgeschäft.

Sarah: Warum ist es auch aus unternehmerischer Perspektive wichtig, sich mit Themen wie Nachhaltigkeit und Fairem Handel zu befassen? Welche Verantwortung haben Unternehmen?

Christoph: Wir sind ja Teil dieser Welt! Da ich, zumindest wenn ich die durchschnittliche Lebenserwartung erfülle, noch 30 Jahre auf dieser Welt lebe und meine Kinder noch 60, 70 Jahre auf dieser Welt leben werden, gibt es natürlich erst einmal ein originär menschliches Interesse zu erkennen, dass es offensichtlich so nicht weitergehen kann.

Faire Schokolade bei BUDNI, © Fair Trade Stadt Hamburg

Und zugleich gefährdet diese Entwicklung am Ende auch nachhaltig unser Unternehmen. Wenn Hamburg im Wasser versinkt, haben wir auch keine Filialen mehr in Hamburg. Wir haben eine Verantwortung, Dinge weiterzuentwickeln und unseren Beitrag zu leisten.

Diese Verantwortung trägt das gesamte Unternehmen. Wir haben zum Beispiel lange darüber diskutiert, ob wir eine:n CSR-Verantwortliche:n einstellen. Ich denke, dass es viel wichtiger ist, dass Verantwortung nicht bürokratisiert wird, sondern dauerhaft bei allen operativ tätigen Mitarbeiter:innen zum täglichen Tun wird.

“Man muss aufpassen, keine Gruppen auszuschließen.”

Sarah: Was kannst du anderen Unternehmen mit auf den Weg geben? Wie würdest du sie dazu motivieren, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen?

Christoph: Die größte Motivation liegt darin zu sehen, wenn Kund:innen ihr Einkaufsverhalten ändern. Das Problem für ein Unternehmen, das eine gewachsene Struktur hat, ist immer, dass Kund:innen sich nicht gleichmäßig bewegen, ihr Verhalten nicht alle auf einen Schlag umstellen und auch nicht unbedingt das tun, was sie sagen. Zwischen Sagen und Tun gibt es häufig einen Riesenunterschied, und das sehen wir auch! Darum macht es aus meiner Sicht keinen Sinn, pauschal zu beschließen, dass das Sortiment jetzt noch einmal zehn oder zwanzig Prozent nachhaltiger werden muss.

Von vielen Stakeholdern, die sich heute mit dem Thema beschäftigen, wird viel zu eindimensional und über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden. Ich glaube, dass Unternehmen da durchaus eine große Hilfestellung sein können, indem sie entsprechende Angebote machen. Aber man muss aufpassen, keine Gruppen auszuschließen, die man dann auf diesem Weg komplett verliert, weil sie denken: Die wollen uns wohl nicht mehr, die sehen uns nicht mehr als Kund:innen, die finden uns nicht mehr relevant, die fühlen sich als was Besseres.

Natürlich ist es wichtig die Arbeitsbedingungen in den Ländern des Globalen Südens zu verbessern. Aber auch hier geht es nicht allen gut. Warum gibt es sowas wie Fast-Fashion-Ketten oder ähnliches überhaupt? In vielen Diskussionen wird verkannt, dass Kinder und Jugendliche heute oft in Verhältnissen aufwachsen, wo sehr wenig Geld da ist. Und dennoch wollen sie natürlich stylisch sein! Am Ende werden wir dies nur über Bildung und Aufklärung konstruktiv und ohne Spaltung in eine bessere Richtung bringen. Bildung wirkt, und zwar nachhaltig. Heute führe ich mit meinen Kindern Diskussionen, die ich damals mit meinen Eltern nicht geführt habe. Das ist natürlich ein langer und mühseliger, aber lohnender Weg.

© BUDNI

Sarah: Welche Herausforderungen beschäftigen dich gerade?

Christoph: Eine große Herausforderung liegt in der Bürokratie. In Deutschland haben wir eine große Tendenz dazu, dass immer mehr belegt und geprüft, also bürokratisiert werden soll. Das braucht Ressourcen und verhindert Innovation. Berichte erzeugen keine Nachhaltigkeit. Taten erzeugen Nachhaltigkeit.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, zu versuchen allen gerecht zu werden. Die einen fordern mehr vegane Produkte, andere wollen nur noch Bio-Produkte, einige bestehen auf Demeter-Qualität, dem nächsten sind die Preise zu hoch usw…. Für ein Unternehmen, das traditionell für alle Menschen eine Einkaufstätte sein möchte, ist es eine immer größere Herausforderung, diesen fragmentierten Ansprüchen gerecht zu werden.

Hinzu kommt dann noch, dass Entwicklungen immer schneller und globaler das Verhalten von Kund:innen bestimmen. Ein dramatisches Beispiel dafür ist Palmöl. Der große Wunsch vieler Kund:innen, weg von petrochemischen oder tierischen Produkten zukommen, hat zu einer riesigen globalen Nachfrage nach Palmöl geführt. Diese Nachfrage hat wiederum dazu geführt, dass große Flächen von Regenwald für Plantagen abgeholzt worden sind. Was wiederum dem Klima und der Artenvielfalt schadet. Produkte und Lieferketten sind heute wahnsinnig komplex und global. Die große Herausforderung wird sein, wie wir in der gesamten Wirkungskette Produkte so verbessern, dass diese nicht einen gegenteiligen Effekt auslösen.

Fairer Kaffee bei BUDNI, © Fair Trade Stadt Hamburg

Sarah: Wie blickst du in die Zukunft?

Christoph: Immer optimistisch – sonst kannst du kein:e Unternehmer:in werden! Die Herausforderungen und Probleme werden zwar gefühlt immer mehr. Jetzt haben wir Corona, dann haben wir eine Inflation, dann eine Art „kalten Krieg zwischen den USA und China“, Klimawandel… Die Zeiten werden sehr unruhig werden und lange unruhig bleiben. Eine Unruhe durch signifikante Veränderungen in vielen Lebensbereichen. Aber wenn Dinge sich ändern, birgt das für Optimist:innen auch die Chance, Neues und Besseres zu schaffen.

Was den Handel betrifft, wird ein wichtiger Aspekt sein, wie die Kosten, die bislang der Gesellschaft im Allgemeinen aufgebürdet worden sind, in Produktpreise einfließen können.

“Ich fände es schön, wenn der Faire Handel in meiner Heimatstadt, als typischer Handelsstadt, eine maßgebliche Rolle spielt.”

Sarah: Was erhoffst du dir von der Kampagne?

Christoph: Ich fände es schön, wenn der Faire Handel in meiner Heimatstadt, als typischer Handelsstadt, eine maßgebliche Rolle spielt. Dazu wäre es gut, der Perspektive der Kund:innen in der Kampagne noch näher zu kommen und zu verdeutlichen, was das mit jeder/jedem Einzelnen zu tun hat. Das Thema ist sehr komplex, daher ist die Kunst in so einer Kampagne, es einfach, verständlich und nahbar darzustellen. Ich hoffe, dass sich dadurch mehr Menschen mit den Zusammenhängen auseinandersetzen und erkennen, wieso bestimmte Dinge wichtig sind.

Christoph Wöhlke leitet das inhabergeführte Drogeriemarktunternehmen zusammen mit seinem Vater Cord Wöhlke und Carsten Neumann. Wertschätzung gegenüber allen Mitarbeiter:innen sowie die individuell auf die Nachbarschaft abgestimmten Filialkonzepte sind ihm dabei sehr wichtig.

 

Über BUDNI

Gründungsdatum: 1912

Anzahl der Mitarbeitenden: 1.950

Anzahl der Filialen: 180

Faire Produkte: Drogerieartikel/Kosmetik, Lebensmittel (Kaffee, Schokolade, Limonade)

Unter dem Motto „Gemeinsam helfen in der Nachbarschaft!“ unterstützt die BUDNIANER HILFE seit 1997 Kinder- und Jugendprojekte.

Mit dem 2020 eingeführten BUDNI-Wegweiser möchte das Unternehmen Kund:innen dabei unterstützen nachhaltiger einzukaufen.