Viele Unternehmen fragen sich heutzutage, wie sie sich nachhaltiger und fairer aufstellen können. Das möchten wir gerne unterstützen! Um Inspirationen zu liefern, stellen wir die Geschichten und Gesichter hinter verschiedenen Hamburger Unternehmen vor, die bereits im Fairen Handel aktiv sind.

Kaffee ist für viele Menschen DAS Produkt des Fairen Handels. In Hamburg gibt es gleich mehrere Unternehmen, die sich dem beliebten Heißgetränk widmen. Eins davon ist der Rohkaffee-Händler Benecke Coffee, der im B2B-Bereich aktiv ist. Wir haben mit einem der Geschäftsführer, Arthur E. Darboven, über sein Engagement für den Fairen Handel, die aktuelle Situation in der Kaffeebranche und die Auswirkungen des Klimawandels gesprochen. Aber lest selbst!

Interview mit einem der Geschäftsführer von Benecke Coffee, Arthur Darboven

Sarah: Benecke Coffee gibt es seit 1995, Sie sind 2009 dazugekommen. War das Unternehmen von Beginn an im Fairen Handel aktiv oder hat der Wandel erst mit Ihnen stattgefunden?

Arthur Darboven: Da gibt es zwei Etappen. Das Unternehmen hat sich von Anfang an mit dem Fairen Handel befasst. Das sieht man auch an unserer FLO-ID-Nummer. Wir haben die Nummer 10-33, d.h. wir gehören mit zu den ersten Unternehmungen weltweit, die die Zertifizierung von FLOCERT angenommen haben (mit der Nummer 10-00 ging es los). Das lag auch an den Inhabern, denn beide haben sehr viel Ursprungserfahrung und konnten sich darunter auch etwas vorstellen. Natürlich hatten die auch gleich die ersten Kund:innen, die so eine Ware dann auch gefordert haben.

Die zweite Etappe begann, als ich dazu gekommen bin, weil Fair Trade für mich immer ein Steckenpferd war. Ich habe in den Ländern vor Ort gesehen, was für eine positive Wirkung der Faire Handel erzielen kann, in der Befriedung von Regionen oder auch in der Reduzierung von Drogenhandel, Gewalt und soziale Verbesserung. Daher haben wir angefangen, nicht nur Fairtrade-zertifizierten Kaffee einzukaufen, sondern uns auch individuelle Projekte im Ursprung anzugucken und versucht das mit den Interessen der Röster zu verknüpfen. Fast ein Drittel unseres Gesamtabsatzes machen wir mit Ware, die durch ein Fairtrade-Siegel oder ein anderes nachhaltiges Siegel zertifiziert ist.

© Benecke Coffee

Sarah: Auf der Webseite von Benecke Coffee ist nichts über Fairen Handel und Nachhaltigkeit zu lesen. Gibt es dafür einen Grund?

Arthur Darboven: Wir haben bisher noch nicht vollständig dokumentiert, was wir alles tun, werden das aber nun angehen, da wir eine ganze Menge zu erzählen haben. Wir haben viele schöne Projekte, z.B. im Bereich Gender Empowerment. Da arbeiten wir mit zwei Supermarktketten zusammen. Wir haben auch ein Schulprojekt in Mexiko, welches wir begleiten. Und ein Produktivitätsprojekt mit einem großen Markenartikler. All diese Projekte haben einen richtigen Impact, ganze Gemeinden profitieren davon, das ist schön zu sehen.

Sarah: Haben Sie Sorge, dass Sie dadurch, dass Sie Ihre Aktivitäten transparenter darstellen, angreifbarer werden?

Arthur Darboven: Nein, überhaupt nicht, wir haben nichts zu verschleiern. Aber eine Frage, die uns natürlich beschäftigt, ist, inwiefern wir die Markenartikler, also die Kaffeeröster, die eigene Marken im Handel haben, und die Lebensmitteleinzelhandelsketten da mit einbeziehen können. Denn letztendlich sind die ja diejenigen, die es nach „draußen“ an die Endverbraucher:innen kommunizieren. Wir verstehen uns eher als Mittler und als Initiator im Ursprung.

Viele Markenartikler sind in punkto Nachhaltigkeit und Fairer Handel schon stark sensibilisiert, wissen aber nicht wie sie das angehen sollen. Die sitzen in irgendeiner Stadt auf ihrer Rösterei und sagen: „Mensch, wir kaufen Kaffee aus zehn Ländern, aber so einen richtigen Zugang dazu haben wir nicht“. Und da kommen wir ins Spiel.

Juana Lourdes Pineda, Mitglied der Kooperative Aldea Global in Nicaragua seit 2000, © Benecke Coffee

“Viele Menschen möchten wissen, woher das Produkt stammt und unter welchen Konditionen es angebaut wurde.”

Sarah: Hat das Bewusstsein hierfür in den letzten Jahren zugenommen?

Arthur Darboven: Ja, das Bewusstsein und auch die Nachfrage haben eindeutig zugenommen. Es kommen zum Beispiel immer mehr Mittelständler auf uns zu, die sagen: „Mensch, jetzt müssen wir auch mal was machen, die großen Konzerne laufen uns davon.“ Das freut uns sehr, schließlich sind die Mittelständler die regionalen Größen in jedem Land. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich das nochmal intensiviert. Die Wertschätzung der Produkte und der Arbeit, die da hinter steht, ist gestiegen. Das ist glaube ich in allen Branchen der Fall. Viele Menschen möchten wissen, woher das Produkt stammt und unter welchen Konditionen es angebaut wurde.

Sarah: Sie haben ja auch konventionellen Kaffee im Angebot…

Arthur Darboven: Ja. Bei denen spielt das Vertrauen natürlich eine große Rolle. Das Schöne bei Siegeln wie dem Fairtrade-Siegel, ist, dass es eine dritte, unparteiische Instanz, gibt. Gerade in den Märkten wie hier in Mitteleuropa ist das sehr wichtig. Aber es gibt auch im konventionellen Bereich viele schöne Projekte, wie das Schulprojekt im Mexiko, das ermöglicht, dass die Kinder der Kaffeepflücker:innen während ihre Eltern arbeiten, zur Schule gehen können. Darüber hinaus gibt es auch Unternehmen, die sagen, wir sind nicht Fairtrade-lizensiert, wir möchten das Fairtrade-Logo auch gar nicht kommunizieren, aber wir hätten gerne Fairtrade-zertifizierte Ware. Das haben wir auch.

“Wenn alle nur noch auf Preise gucken, das ist nicht nachhaltig, das bringt auch nichts.”

Sarah: Warum ist es aus unternehmerischer Sicht sinnvoll, sich mit Themen wie Nachhaltigkeit und Fairem Handel zu beschäftigen?

Arthur Darboven: Es ist ein Entwicklungsthema. Wir müssen alle daran mitarbeiten, dass Bildung stattfindet, dass eine gerechte Behandlung stattfindet. Und zwar entlang der ganzen Lieferkette. Das Lieferkettengesetz, das ja nun tatsächlich kommt, führt dazu, dass sich immer mehr Unternehmen mit ihrer Lieferkette beschäftigen.

Leider gibt es in sämtlichen Industriebereichen die Manier, ich vertreibe irgendeinen Artikel und da sind noch, ich weiß nicht wie viele Mittelsmänner dazwischen, bis es zum Produzenten kommt. Es gab ja dieses schlimme Beispiel mit Bangladesch, ich weiß nicht mehr welcher Textilhändler es war, aber da waren glaube ich drei Mittelsmänner dazwischen. Der Produzent wusste nichts vom letzten Verkäufer und der Verkäufer wusste auch nichts vom Produzenten, bis es dann über die Medien hochkam. Das haben wir Gott sei Dank im Kaffeehandel nicht mehr.

Wenn alle nur noch auf Preise gucken, das ist nicht nachhaltig, das bringt auch nichts. Wir haben langjährige Beziehungen in die Produzentenländer. Und es kommen immer mehr Kooperativen auf uns zu, die von uns gehört haben und uns ihren Kaffee verkaufen wollen.

Sarah: Was raten Sie anderen Unternehmen, die sich auf den Weg machen wollen? Wie fängt man an?

Arthur Darboven: Zunächst einmal ist es wichtig, selbst daran zu glauben. Es gibt leider immer noch viele Skeptiker:innen, die sagen: „Das mit dem Fairen Handel funktioniert ja alles nicht, das ist alles nur Betrug, das ist alles nur Schein.“. Das kann ich nicht mehr hören, denn das stimmt einfach nicht! Und wenn man dann soweit ist, dann sollte man sich seinen Erstlieferanten angucken und ihm folgende Fragen stellen: „Was machst du und was kommt dem Produzenten zugute? Wie kannst du das verbessern und wie kannst du dir das zu Eigen machen?“. Man muss dabei nicht gleich den großen Stein ins Rollen bringen, sondern erstmal klein anfangen. Hauptsache, man tut was.

Manche Sachen ergeben sich auch einfach, wie bei uns ein Projekt zur Produktivitätssteigerung, was eigentlich nicht unsere Expertise hier ist. Da kam eine multinationale Firma auf uns zu, die Kaffeebäuer:innen in El Salvador eine Millionen Kaffeepflanzen schenken wollte, da dort die Produktivität nach einem Blattrostbefall vor einigen Jahren deutlich in den Keller gegangen ist. Wir haben dann einen konkreten Vorschlag erarbeitet und ein nachhaltiges Projekt aufgezogen. Das war eine Win-Win-Situation. Die Bäuer:innen waren sehr dankbar über die Pflanzen und der Röster hat guten Kaffee gekriegt.

Sarah: Was beschäftigt die Kaffeebranche zurzeit? Wie ist die Situation auf dem Kaffeemarkt?

Arthur Darboven: Katastrophal. Aber jede:r, der oder die Ware von wo anders hierherbringen muss, wird Ihnen das Gleiche erzählen. Wir haben ein logistisches Desaster und da müssen wir erstmal durchkommen. Es gibt keine Container, keine Schiffe, überall Verspätung. Die Schiffe die fahren, müssen oft drei, vier Wochen vor den Häfen warten, bis sie dran sind. Und wenn sie dran sind, werden die Container nur abgeladen, weil es keine LWKs gibt, die beladen werden können, keine LKW-Fahrer:innen.

Bedauerlicherweise beschäftigt das alle Beteiligten so, dass das Thema Nachhaltigkeit oder die Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsprojekten zur Seite geschoben werden muss, weil es jetzt erstmal darum geht, die Situation einigermaßen in den Griff zu bekommen.

Kaffeepflanze, © Benecke Coffee

Sarah: Ist die Logistikkrise auch der Grund für den Anstieg des Kaffeepreises?

Arthur Darboven: Dieses Jahr ist alles zusammengekommen. Wir haben ja nicht nur die Logistikkrise. Hinzu kommen die Umwelteinflüsse. Wir hatten Frost in Brasilien. Wir wissen bis heute nicht so richtig, wie viel zu Schaden gekommen ist, die Zahlen gehen von zwei Millionen Sack bis 12 Millionen Sack. Dann hatten wir davor eine Dürre. Dann hatten wir jetzt gerade vor ein paar Wochen eine Mitteilung aus Kolumbien, die haben jetzt gerade die Ernte 2021/22 um eine Millionen Sack nach unten justiert. Es kann sein, dass der Kaffeepreis nochmal deutlich teurer wird.

“Wir wissen heute schon, dass wir 2035 nur noch ca. 40% der kaffeetauglichen Anbaufläche haben, die wir vorher hatten. Das bereitet uns große Sorgen.”

Sarah: Apropos Umwelteinflüsse. Inwiefern beschäftigt Sie der Klimawandel in Ihrer Arbeit?

Arthur Darboven: Das ist unser großes Thema. Wir gucken uns jährlich die Klimamodelle an. Vor allem in Mittelamerika sind wir in ganz großer Sorge, Mittelamerika trocknet von unten nach oben. Kaffee wächst ja erst ab einer gewissen Höhenlage. Die Niederungen trocknen jetzt schon. Produzent:innen berichten uns immer wieder: „Hier ist es zu trocken, hier wächst nichts mehr, wir haben ein Problem.“ Wir wissen heute schon, dass wir 2035 nur noch ca. 40% der kaffeetauglichen Anbaufläche haben, die wir vorher hatten. Das bereitet uns große Sorgen.

Und dann natürlich die Hurrikans, die immer mehr werden. Eigentlich kann man jetzt schon die Uhr danach stellen, jedes Jahr kommt mindestens einer, der mal eben durch die Karibik und Mittelamerika fegt. Dann noch Frost und Dürre in Brasilien, wo es nicht vorgesehen ist. Das sind alles Auswirkungen vom Klimawandel. Trotzdem gibt es immer noch Leute, die das alles leugnen. Das regt mich auf.

Es wird gerade untersucht, wie man die Kaffeepflanzen robuster macht, andere Anbauflächen findet. Es wird sich verlagern. Ich glaube, das betrifft nicht nur Kaffee, sondern alle möglichen Lebensmittel. Aufforstungsprojekte spielen auch eine große Rolle, wir unterstützen zwei Projekte in Peru und Mexiko.

“Ich würde mir wünschen, dass Unternehmen die Kampagne dafür nutzen, um darzustellen, was sie machen oder machen wollen.”

Sarah: Wie blicken Sie, vor allem vor diesem Hintergrund, in die Zukunft?

Arthur Darboven: Ich glaube alle Firmen müssen erstmal durch dieses Jahr kommen. Und mit diesem Jahr meine ich das Kaffeejahr, das von Oktober bis September geht Ich glaube, das wird ein ganz schwieriges Jahr für alle. Danach sieht es dann hoffentlich wieder besser aus.

Sarah: Was sind Ihre Wünsche und Erwartungen an die Stadt Hamburg, die Handelskammer und unsere Kampagne?

Arthur Darboven: Meine Wünsche und Erwartungen richten sich vor allem an Unternehmen. Ich würde mir wünschen, dass sie die Möglichkeit nutzen, um darzustellen, was sie machen oder machen wollen. Das ist die Gelegenheit, um das zu zeigen und auch mutig zu sein und neue Wege einzuschlagen. Ich denke, dass die Handelskammer in diesem Zusammenhang die richtige Instanz ist, um auf die Unternehmungen zuzugehen. Und ich wünsche mir, dass auch die Stadt sich ein bisschen mehr dahinterklemmt.

© Benecke Coffee

Arthur E. Darboven beschäftigt sich schon sein ganzes Leben lang mit Kaffee. Nach verschiedenen Stationen im In- und Ausland ist er seit 2009 gemeinsam mit Clemens von Storch Geschäftsführer von Benecke Coffee. Der Faire Handel ist ihm ein wichtiges Anliegen. Er hat sich bereits vor einigen Jahren dafür ausgesprochen eine Kampagne zur Stärkung des Fairen Handels durchzuführen. Seine Vision für Hamburg: „Hauptstadt des Fairen Handels“ werden.

 

Über Benecke Coffee

Gründungsdatum: 1995

Anzahl der Mitarbeitenden: 25

Faire Produkte: Kaffee

Länder bzw. Kooperativen/Produzent:innen, von denen die fair gehandelten Produkte kommen: über 25 Länder in Amerika, Afrika & Asien

Benecke Coffee ist ein mittelständischer Rohkaffee-Importeur mit Sitz in Hamburg, der seine Kaffees an Röstereien weltweit verkauft. Das Unternehmen legt Wert auf eine enge und langjährige Zusammenarbeit mit Farmer:innen und Kooperativen in den Ursprungsländern. Ein Teil von Benecke Coffee ist ein über 100 Jahre alter Geschäftsbereich namens Rehm & Co. mit Fokus auf dem Handel und dem Sourcing von Spezialitätenkaffees.