Rückblick: Kinderwelten fair und vielfältig gestalten

Unsere Expert:innen auf dem Panel. Foto: Kati Jurischka.

Am 19.09.2025 fand im Rahmen der Fairen Woche 2025 und in Kooperation mit den Bücherhallen unsere Podiumsdiskussion „Kinderwelten fair und vielfältig gestalten“ statt, begleitet durch einen Stand des Alternativen Wohlfahrtsverbandes (SOAL). Gemeinsam haben wir über Produktionsbedingungen von Spielzeugen, die häufig verborgen bleiben, gesprochen und diskutiert, wie Kindern durch Bücher, Puppen und Spielzeug Diversität vermittelt werden kann.

Dazu haben wir in die Zentralbibliothek der Bücherhallen Hamburg eingeladen, wo wir rund 35 Gäst:innen im Publikum und unsere vier Expert:innen auf dem Panel begrüßen durften:

Nadeesha Madushani ist Produktentwicklerin des Fair Trade Sozialunternehmens Selyn in Sri Lanka, das Textilien und Spielzeug produziert, unter anderem die Diversity Doll Collection – „mein Traumjob“, wie sie sagt. Diversität ist für Selyn ein Markenzeichen.

Dayan Kodua ist Schauspielerin, Sprecherin, Autorin und Gründerin des Gratitude Verlags. Mit ihren Büchern und ihrem Verlag setzt sie sich dafür ein, Schwarze Menschen sichtbar zu machen und Kinder zu stärken. Sie veröffentlichte die Bilderbücher Odo (2019), Odo und der Beginn einer großen Reise (2021), Wenn meine Haare sprechen könnten und My Black Skin: Lebensreisen 2023. Mit ihrem Engagement für Repräsentation und Vielfalt prägt sie den deutschsprachigen Kinderbuchmarkt nachhaltig.

David Amoateng ist Gründer der Little Ashé GmbH, dem ersten afrodeutschen Spielzeughersteller. Mit seinen in Ghana fair gefertigten Bio-Stoffpuppen in verschiedenen Hautfarben macht er Diversität sichtbar, sorgt für Selbstidentifikation und Vielfalt in allen Kinderzimmern.

Anastasia Panagiotidis ist Teil des Leitungsteams des Internationalen Kinderladens e.V., wo sie sich leidenschaftlich für diversitätssensible Bildung von Kindern einsetzt.

Moderation: Aileen Puhlmann hat als Moderatorin durch das Gespräch geleitet. Sie ist Vorständin von Lemonaid & Charitea e.V. und setzt sich für machtkritische internationale Zusammenarbeit ein. Außerdem gründete sie „Community Kids“, eine Eltern-Kind-Initiative für Schwarze Eltern in Hamburg.

Moderatorin Aileen Puhlmann. Foto: Kati Jurischka.


Der Stand des Alternativen Wohlfahrtsverbandes (SOAL e.V.). Foto: Kati Jurischka.

Interview mit Nadeesha Madushani

Um in das Thema einzuleiten, wurde Nadeesha Madushani zu Beginn der Veranstaltung zu ihrer Biographie, der fairen Produktion von Spielzeugen bei Selyn – Sri Lankas einzige Fair-Trade-zertifizierte Handweberei – sowie zur Rolle der Frauen in Sri Lanka interviewt. Nadeesha Madushani berichtete, dass sie ihre Arbeit bei Selyn als Buchhaltungsassistentin gestartet hat und heute in ihrem Traumjob als Produktentwicklerin und Sortimentsmanagerin arbeitet, wo sie die Spielzeugkollektionen entwickelt und die Produktentwicklung koordiniert. Damit treibt sie mit Selyn auch die Abbildung diverser Lebensrealitäten voran, was sich u.a. in der Herausgabe einer Kollektion zum Thema Queerness zeigt, die laut ihrer Erfahrung vor allem unter jungen Menschen in Sri Lanka sehr gut angenommen wurde.

Nadeesha Madushani. Foto: Kati Jurischka.

Ihre persönliche Geschichte zeigt zudem, dass Selyn Frauen in Sri Lanka empowert. So erzählte uns Nadeesha, dass Selyn ihr die Finanzierung ihres Bachelorstudiums ermöglicht hat und sie so den Aufstieg in ihren Traumjob als Produktentwicklerin verwirklichen konnte. Doch nicht nur für sie selbst, sondern auch für die überwiegend weiblichen Kunsthandwerker:innen, die die handgewebten und handgefertigten Spielzeuge des Unternehmens herstellen, macht die Arbeit unter fairen Arbeitsbedingungen bei Selyn einen echten Unterschied. Damit wird deutlich, dass Investitionen in fair gehandelte Produkte auch Investitionen in die Zukunft vieler Menschen bedeuten und dabei nicht nur Planungssicherheit und faire Löhne ermöglichen, sondern auch Frauen dabei helfen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Das Podiumsgespräch

Nach den Einblicken in Nadeeshas Arbeit bei Selyn ging es weiter mit der Podiumsdiskussion. Aileen Puhlmann leitete in das Gespräch ein, indem sie die Expert:innen zu ihren Perspektiven auf die Bedeutung von Repräsentation und Diversität in Kinderzimmern befragte. Alle Gäst:innen waren sich einig, dass Bücher, Puppen und andere Spielzeuge prägen, wie Kinder die Welt wahrnehmen und wie sie sich selbst darin sehen. Dementsprechend stellen sie ein wichtiges Mittel dar, um Diversität erfahrbar zu machen und einen diskriminierungssensiblen Umgang zu fördern sowie Kinder zu empowern und ihnen Selbstbewusstsein zu vermitteln.

Podiumsdiskussion. Foto: Kati Jurischka.

Anschließend ging es vor allem um Faire Produktion und globale Gerechtigkeit – und darum, wie diese Themen mit Diversität und Repräsentation zusammenhängen. Dazu befragte Aileen Puhlmann unsere Expert:innen, welche Bedeutung sie der Fairen Produktion von Spielzeugen beimessen und was sie dazu motiviert, fair zu produzieren. Unsere Gäst:innen kamen zu dem Schluss, dass ein Engagement für Diversität und Repräsentation mit globaler Gerechtigkeit zusammen gedacht werden muss – denn es macht wenig Sinn, sich für Repräsentation, Gerechtigkeit und Sichtbarkeit einzusetzen und gleichzeitig die Ausbeutung von Menschen in der Produktion, die häufig im Globalen Süden arbeiten und mit menschenunwürdigen Bedingungen konfrontiert sind, zu ignorieren.

David Amoateng. Foto: Kati Jurischka.

In diesem Zusammenhang machte David Amoateng darauf aufmerksam, dass die Spielwarenbranche ähnlich problematisch ist wie die Kleiderbranche – ein Großteil der Spielwaren wird in Ländern wie China, Bangladesch oder Indien produziert und nur in Ausnahmefällen findet die Herstellung unter fairen Arbeitsbedingungen statt. Deshalb ist es ihm selbst, wie er berichtete, besonders wichtig, seine eigenen Produkte – die Puppen von Little Ashé – mit einem guten Gewissen unter fairen Bedingungen zu produzieren. Wie David erzählte, war dieses Selbstverständnis auch einer der entscheidenden Gründe für die Gründung von Little Ashé. Auf der Suche nach einer Schwarzen Puppe für seine Nichte, die eine hohe Qualität aufweist, aus Biostoff besteht und unter fairen, nachhaltigen und nachvollziehbaren Produktionsbedingungen hergestellt wurde, wurde er auf dem deutschen Spielwarenmarkt nicht fündig. Heute bietet er mit seinen in Ghana gefertigten Puppen Produkte an, die genau diesen Anforderungen gerecht werden und trägt dazu bei, dass sich alle Kinder mit ihren Spielzeugen identifizieren können. Und nicht zuletzt sollen seine Puppen auch dabei helfen, weißen Kindern, auf deren Repräsentation und Bedürfnisse der Großteil des bisherigen deutschen Spielzeugmarktes ausgerichtet ist, die gesellschaftliche Vielfalt unserer Welt zu vermitteln und sie damit für alle Kinder zur Selbstverständlichkeit zu machen.

Dayan Kodua. Foto: Kati Jurischka.

Auch Dayan Kodua fördert mit ihren Büchern Diversität und Identifikation. Sie wies auf die Notwendigkeit hin, allen Kindern Büchern mit positiven Identifikationsfiguren zu bieten. Ähnlich wie David Amoateng war auch sie auf der Suche nach Büchern für ihre Kinder auf eine große Lücke auf dem deutschen Kinderbuchmarkt gestoßen. Mit ihrem daraufhin gegründeten gratitude Verlag – einem der wenigen Verlage, die ausschließlich Bücher mit BPoC-Held:innen verlegen – verfolgt sie nun das Ziel, Kinder jeglicher Herkunft zu empowern und ihnen Zugang zu vielfältigen Geschichten zu bieten, die einen Einblick in andere Lebensrealitäten geben können. Denn, wie Dayan erklärte, haben die Geschichten, die Kinder lesen, das Potential, sie zu stärken und ihre Weltsicht zu öffnen.

Gleichzeitig machte Dayan darauf aufmerksam, dass weiterhin großer Bedarf an vielfältigen Geschichten über BPoC-Held:innen und ihre alltäglichen Abenteuer besteht, um dem diversen Spektrum an Themen, für die sich alle Kinder interessieren können, auch gerecht zu werden.

David Amoateng und Anastasia Panagiotidis. Foto: Kati Jurischka.

Daran anknüpfend berichtete Anastasia Panagiotidis aus ihren Erfahrungen in der Kindertagesbetreuung im Internationalen Kinderladen e.V., der für eine vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung steht und wo Kinder im Alter von eins bis sechs Jahren betreut werden. Sie wies darauf hin, dass eine der Hauptbeschäftigungen in ihrem Arbeitsalltag in der Identitätsbildung der Kinder besteht. So werden die Persönlichkeiten der Kinder in diesem Alter entscheidend geprägt und auch im Kita-Alltag mitentwickelt. Sie empfindet es entsprechend als besonders wichtig, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken, damit die Kinder sich einerseits wohlfühlen und andererseits auch eine Neugier für das Leben entwickeln können. In dieser Hinsicht sieht sie eine große Notwendigkeit in Büchern und Spielzeugen, die Diversität vermitteln und erfahrbar machen. Weiterhin erzählte sie, dass sie täglich erleben kann, wie lernfähig Kinder sind und dass man ihnen bereits im jungen Alter ein Bewusstsein für Gerechtigkeit vermitteln kann, indem man ihnen beispielsweise erklärt, wo ihre Spielzeuge herkommen und dass es wichtig ist, dass die Menschen am Produktionsort ausreichend bezahlt werden. Eltern, denen mehr diskriminierungssensible Erziehung im Kindergarten am Herzen liegt, empfahl sie zudem, Forderungen an Kitaleitungen zu formulieren, sich an Träger wie den SOAL zu wenden und sich auch selbst über z.B. die Mitarbeit im Elternrat für Diversität und eine vorurteilsbewusste Bildung einzusetzen.

Publikumsfragen und Diskussion:

Zum Ende der Veranstaltung wurde die Diskussion auch für unsere Gäst:innen im Publikum geöffnet, die die Möglichkeit hatten, Fragen zu stellen oder eigene Ideen und Anmerkungen einzubringen. Dabei ging es neben den Nuancen in Gesprächen über in Kinderspielzeugen überrepräsentierte Berufsstände wie Polizei und Feuerwehr auch um das vielbeschworene Recht auf eine unbeschwerte Kindheit, welches häufig als Argument dient, Kinder möglichst lange nicht über Rassismus und weitere Diskriminierungsformen zu informieren. Unsere Gäst:innen machten jedoch darauf aufmerksam, dass dieses Recht auf eine unbeschwerte Kindheit in Wahrheit doch wieder nur Kindern vorenthalten bleibt, die nicht selbst von Diskriminierung betroffen sind. Selbst betroffene Kinder werden mit Diskriminierung wie Rassismus oder Ableismus dagegen bereits von klein auf konfrontiert, was ihr Leben von Anfang an und bis ins Erwachsenenalter hinein stark prägt. Es sollte dementsprechend der Grundsatz gelten, dass nicht betroffene Kinder alt genug sind, um über Rassismus und weitere Diskriminierungsformen zu sprechen, wenn betroffene Kinder alt genug sind, um Diskriminierung zu erfahren. Damit würde laut unseren Expert:innen auch das Unwohlsein, das solche Diskriminierung bei Betroffenen immer wieder hervorruft, auf nicht Betroffene ausgeweitet werden und alle Beteiligten auf eine Ebene bringen, um von dort aus gemeinsam und auf Augenhöhe dagegen vorzugehen und daran zu arbeiten.

Abschließend betonten sowohl die Gäst:innen im Publikum als auch auf dem Podium die Wichtigkeit von Allianzen und tauschten sich über Strategien aus, um Mitstreiter:innen zu finden und zu mobilisieren, um Anliegen rund um Diversität und vorurteilsbewusste Bildung vorzubringen und ein gerechteres Aufwachsen für alle Kinder zu erkämpfen.

Mit der Möglichkeit für alle Anwesenden, sich nach der Podiumsdiskussion auch noch einmal zwanglos untereinander und mit den Vertreter:innen des SOAL auszutauschen, beendeten wir diesen spannenden und sehr lehrreichen Abend.

Puppen von Little Ashé. Foto: Kati Jurischka.


Spielzeuge, unter anderem aus dem Internationalen Kinderladen e.V. Foto: Kati Jurischka.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die gesamte Veranstaltung gibt es auch noch mal zum Nachschauen auf unserem YouTube-Kanal.