KOSMOS Rückblick – Decolonize Fair Trade!

Die Aktionswoche KOSMOS möchte nicht nur das Potenzial und die Chancen, sondern auch die blinden Flecken und die Limits des Fairen Handels sichtbar machen. Dazu waren am 10.Mai drei Expert:innen zu kolonialen Kontinuitäten im Fairen Handel zu Gast auf dem Podium. Aus Berlin angereist waren Serge Fankou Djomo und Renée Eloundou vom Verein Association for Sustainable International Development (asid Europe e.V.). Serge Djomo ist MItgründer und Projektleiter bei asid Europe. Renée Eloundou engagiert sich ebenfalls im Verein, ist gleichzeitig aber auch Leiterin der Koordinierungsstelle für einen gesamtstädtischen Aufarbeitungsprozess zu Berlins kolonialer Vergangenheit.

Asid Europe ist eine migrantisch-diasporische Organisation, die in ihrer Arbeit vor allem die Perspektiven marginalisierter Menschen zentriert. Im Rahmen ihres Projektes „Decolonize Fair Trade!“ in Kooperation mit dem Aktionsbündnis Fairer Handel Berlin und dem Bezirksamt Mitte Berlin interviewte Renée Eloundou Produzierende aus verschiedenen Teilen des Globalen Südens, um über die Auswirkungen des Fairen Handels auf ihren Lebens- und Arbeitsalltag aus deren Perspektive zu erfahren. Daraus entstand das Projekt „Decolonize Fair Trade!„. Die Interviews und Schlagwörter der interviewten Produzent:innen waren während er Aktionswochre KOSMOS auf großen Holzstellwänden zu sehen – ein Blickfang, der zum Nachdenken anregte.

Ebenfalls zu Gast auf dem Podium war Aileen Puhlmann, Vorständin von Lemonaid & Charitea e.V. Davor war sie war in Südafrika für die GIZ tätig. Als Vorständin des Vereins bemüht sie sich, machtkritische Auseinandersetzungen in der Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen. Aus den Einnahmen des gleichnamigen Unternehmens finanziert, fördert der Verein Projekte aus Ländern des Globalen Südens. Moderiert wurde die Veranstaltung von Miriam Odoom Harder, Community Kuratorin bei Boldly e.V., dem Verein für Schwarze Selbstverwirklichung.

Alle verwendeten Bilder wurden von der Fotografin Kati Jurischka fotografiert.

Das Podiumsgespräch

v.L.n.R. Serge Fankou Djomo, Renée Eloundou, Aileen Puhlmann, Miriam Odoom Harder

Durch das Gespräch wurde deutlich, dass die Vision des Fairen Handels, und zwar eine gerechte Welthandelsordnung mit gleichberechtigten Süd-Nord Beziehungen, ein wichtiges Ziel ist. Die Panelist:innen waren sich einig, dass die Fairhandels-Bewegung als Reaktion auf den konventionellen Handel einen Beitrag zu einer Neustrukturierung und Dekolonisierung des Welthandels beitragen kann. In der Praxis jedoch reproduziert auch der Faire Handel Kolonialität, d.h. koloniale Machtasymmetrien werden fortgeschrieben.

Dies betrifft vor allem die Rollenverteilung zwischen Süd und Nord: Produzierende des Fairen Handels nehmen meist noch immer die Rolle der Rohstofflieferant:innen ein, während ein großer Teil der tatsächlichen Wertschöpfungsprozesse nicht in den Ursprungsländern globaler Lieferketten stattfindet, sondern in den Abnahmeländern. Die auf Export ausgerichtete Produktion kommt lokalen Märkten nicht zugute. Diese Dynamik geht, auf die während der europäischen Kolonialherrschaft über weite Teile des Globalen Südens zurück und konnte bis heute nur in Teilen durchbrochen werden.

Darüber hinaus sind Fair Trade-Zertifizierungsprozesse kostspielig und stellen ein erhebliches wirtschaftliches Risiko dar. Insbesondere kleinbäuerliche Betriebe in strukturschwachen ländlichen Regionen können sich diese Kosten nicht leisten. Zertifizierte Kooperativen wiederum müssen ihre Preise so stark anheben, dass sie zu hoch für lokale Märkte sind. Somit kann die Zertifizierung ungewollt zu einer starken Abhängigkeit von Märkten und Nachfrage aus Ländern des Globalen Nordens führen.

Als weitere Aspekte wurden die Strukturen des Fairen Handels besprochen, die laut der Panellist:innen wenig zugänglich für Produzierende des Globalen Südens seien. Zudem finden die Stimmen aus dem Globalen Süden und die Forderung nach Veränderung des Fair Trade-Systems noch immer wenig Gehör. Dies ist auch ein wichtiger Punkt der Ausstellung „Decolonize Fair Trade!“, von asid Europe e.V., die während der Aktionswoche KOSMOS im Jupiter zu sehen war.

Nach der Veranstaltung ergab sich ein inspirierender Austausch mit dem Publikum, Vertreter:innen eines Unternehmens und mehrerer Weltläden. Hier wurde erneut deutlich, wie herausfordernd die Auseinandersetzung mit der Beständigkeit kolonialer Machtstrukturen für viele Aktive im Fairen Handel ist. Es gilt, die eigenen Praxen und Privilegien zu reflektieren und Stimmen aus dem Globalen Süden in der eigenen Arbeit zu zentrieren. Abschließend verdeutlichten unsere Gäst:innen, dass der von ungerechten Machtstrukturen geprägte konventionelle Welthandel auch auf den Fairen Handel abfärbt – und dass es höchste Zeit ist, dass sich der Faire Handel auch unangenehmen Fragen stellt, um seine Vision eines gleichberechtigten Welthandels zu verwirklichen.

Insgesamt waren 23 Personen anwesend. Aufgrund des Zeitpunktes (Freitags um 17 uhr an einem Brückentag), sowie des guten Wetters und vielen Konkurrenzveranstaltungen wie dem Hafengeburtstag ist das Team zufrieden mit dem Ergebnis der Veranstaltung. Die Panellist:innen vernetzten sich untereinander, die Diskussion zum Ende des Panels unterstrich die Wichtigkeit des Themas und auch das Team der Fair Trade Stadt nimmt Impulse für die eigene Arbeit mit. Die Zusammenarbeit mit asid Europe e.V. soll weitergeführt werden, um Fragen nach Dekolonisierung im Fairen Handel in Hamburg stärker zu verankern.